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Das was ist

Zwischen uraltem Brauchtum, lebendiger Kultur und traditionellem Kunsthandwerk, kann man sich im Grödental auch ganz wunderbar auf das konzentrieren was ist. Auf das, was schon immer da war: Die Natur!


Der Winter ist gerade erst vorüber. Im Langental aber, dem kleinen Seitental nördlich des Ortes Wolkenstein, liegt noch immer knietief der Schnee. Nicht mehr pulvrig, dafür aber fest, gerade so vereist, dass er das Gewicht unserer Körper trägt. Es ist kalt. Und obwohl die Sonne schon ihre ersten Strahlen ins Tal werfen konnte, geben uns die scharfkantigen Metallketten, die uns Roman über die Wanderschuhe zog, den nötigen Halt. Trotzdem zieht der schnauzbärtige Grödener noch einen Holzschlitten hinter sich her. Sicher ist sicher…


Wir sind auf der Suche nach den Wildtieren des naturbelassenen Langentals. Naturbelassen? Oh, ja! Am Taleingang findet man noch eine kleine Materialseilbahn, welche die 2312 Meter hohe Steviahütte versorgt. Danach kommt auf den ersten Blick nicht mehr viel. Eigentlich nichts. Wanderführer Roman wird uns aber noch eines Besseren belehren. Der 66-jährige hat den größten Teil seines Lebens hier verbracht, kennt jeden Stein, jedes Tier. Als Jäger hat er ohnehin einen besonderen Bezug zur heimischen Natur. Und als Wildaufseher zeigte er schon Interessenten sein Langental, lange bevor es den Beruf des Wanderführers überhaupt gab.

Dass Roman also diesen Job schon ausgesprochen lange macht, dabei aber auch noch große Freude hat, lässt er uns schon auf den ersten Metern spüren: Humor gehört für den Naturfreund offensichtlich ganz unbedingt zu einer erfolgreichen Wanderung dazu. Ob wir heute tatsächlich ein Wildtier sehen können, wird da fast schon zweitrangig. Roman erklärt, erzählt und informiert über jede noch so kleine Kleinigkeit am Wegesrand. Und wir lauschen ihm. Eben weil Roman die Gabe besitzt, alles so zu erzählen, dass man einfach zuhören muss!


Sein größtes Interesse gilt den Steinadlern hier im Tal. Die majestätischen Greifvögel beobachtet er besonders gerne – wofür ihm kein Aufwand zu groß ist. Oft erklimmt er dafür einen der spitzen Felstürme, die auf beiden Seiten des Tales in den Himmel ragen, um von dort mit einem Spektiv, also einem monokularen Fernrohr, die gegenüberliegenden Felswände abzusuchen. Dabei ist „suchen“ eigentlich das falsche Wort. Roman weiß ganz genau wo sich die Tiere aufhalten. Wo sich ihre Horste befinden. Und meistens weiß er auch, wo sich das Brutpaar dieses Mal niedergelassen hat. Denn von den vielen Horsten im Langental, ist immer nur eines in Benutzung. Und zwar vom einzigen Brutpaar des gesamten Tales! Das zeigt nicht nur, wie groß die Reviere dieser Tiere sind, sondern auch, wie wenige es demnach im Alpenraum überhaupt gibt!

Mit dem Fernglas zeigt uns Roman jene Horste, die man vom Tal aus gut erkennen kann. Gigantische Nester sind das, in senkrechten Felswänden. Doch auch wenn ihre Größe beeindruckend ist, so gehen sie in der schieren Weite der umliegenden Wände völlig verloren. Erst da merken wir, wie groß, wie weit das kleine Lan-gental doch eigentlich ist.


Roman weiß vieles über diese Berge. Nicht nur über die Adler, sondern beispielsweise auch über die Spechte, die Hasen, oder auch den Wolf. Um Letzteren von den Weideflächen der Steviahütte fernzuhalten, zeigt er uns einen Zaun, der in schwindelerregender Höhe in einem der engen Felsrinnen verbaut wurde. Auch hier im Langental nimmt also die Natur ihren Lauf und stößt dort wo der Mensch ist auf Grenzen.


Roman weiß aber beispielsweise auch die vielen Namen der einzelnen Bergspitzen des Langentals. Die meisten davon seien schon fast in Vergessenheit geraten, auf kaum einer Karte noch verzeichnet, weswegen sich Roman mit einigen Kollegen die Mühe gemacht hat, jeden der fast unzähligen Gipfelnamen zu notieren. Denn wenn er es nicht mache, so erzählt er uns, dann mache es ja niemand.


Auf unserer Wanderung lernen wir so enorm viel über die hiesige Bergwelt. Wir lesen anhand der Ringe eines Gamshorns das Alter des Tieres ab. Wir erkennen die Fährte eines Schneehasen. Wir passieren riesige Felsbrocken, die der Gletscher vor tausenden von Jahren vom Berg hier herabgetragen und glattgeschliffen hat. Und dann sehen wir tatsächlich noch das gesuchte Wildlife: Ein Rudel Gämsen genießt auf der Sonnenseite des Tals die Frühlingswärme und versucht zwischen den Schneefeldern etwas essbares zu erhaschen. Durch Romans Spektiv können wir sie wunderbar beobachten, auch wenn uns dabei einmal mehr eindrucksvoll klargemacht wird, wie weit die Tiere doch noch von uns entfernt sind. Wunderschön ist dieser Anblick aber allemal!


Unser Guide schenkt uns eine Tasse Tee ein. Er schmeckt nach Wildbeeren, die Roman selbst hier im Tal gesammelt hat. Im Sommer, so strahlt er uns an, müssen wir unbedingt noch einmal kommen. Wenn die Blumen blühen. Wenn die Wiesen saftig grün dastehen. Und wenn Felskletterer im festen Dolomitgestein den Gipfeln entgegenstreben. Für Roman, der die Wände so gut kennt wie kaum ein anderer, der sich schon vor Jahrzehnten in ihnen zu den Adlerhorsten abgeseilt hat, bietet aber jede Jahreszeit ihren ganz eigenen Reiz. Und zu lernen, gäbe es ja ohnehin immer etwas.

Als wir den Rückweg antreten, zeigt Roman nach links, in die schattigen Wände unterhalb des Mont de Sëura. An einem gefrorenen Wasserfall können wir vier bunte Punkte erkennen: Eiskletterer, die ähnlich wie vorher schon die Adlerhorste kaum wieder zu finden sind, hat man sie erst aus den Augen verloren. Hinter ihnen ragt der Gebirgskamm der Cirspitzen in den Himmel. Wie der gezackte Rücken eines Drachens legt sich dieser übers Grödner Joch. Blickt man dagegen aus dem Tal hinaus, dominiert der berühmte Langkofel das Bild. Auch den kennt der passionierte Bergsteiger nur zu gut. Von früher, als er dessen Nordwand im Alleingang durchstieg. 


Wieder zücke ich mein Fernglas und frage mich, wo in aller Welt in diesem Felslabyrinth eine Route denkbar wäre. Doch Roman, der damals noch von Beruf Holzschnitzer war, weiß, wie es damals nun mal war: „Wenn mir die Berge früher die Hand reichten, dann nahm ich sie an!“ Wohlwissend, welchen Gefahren er sich in seinen Heimatbergen und den Gipfeln der Welt schon ausgesetzt hat, spielt er seine Solotour am Langkofel trotzdem lieber etwas runter. Das hätten damals doch alle gemacht. Die Berge waren schließlich immer schon da. Und außerdem sei das ja eine ganz andere Geschichte, die er uns aber sehr gern ein andermal erzählen würde. Dann stellt er sich mit dem rechten Fuß auf die linke Kufe seines Schlittens, schiebt sich an, als würde er auf einem Tretroller stehen, und saust geschickt ins Tal. 

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