Kleine Küchen: großes Kino!

In Prien am Chiemsee

Wasser, Wellen und schier endlose Weiten: Der Chiemsee, größter See Bayerns. Steht man erstmals an seinen Ufern, heißt es Genießen. Den Blick schweifen lassen. Über das knapp 80 Quadratkilometer große Gewässer, das Bayerische Meer. Es bietet Raum. Sehr viel Raum. Für Kreativität. Für Geschichte, Kunst und Handwerk. Wasser, Wellen und schier endlose Weiten.

Greifbahre Nähe

Seeluft, Alpenblick und ein lebendiger kleiner Ortskern. Prien am Chiemsee, der Luftkurort, malerisch schön am Westufer gelegen. Zwischen Bootsstegen, Cafés und den schmalen Gassen rund um den Marktplatz spürt man, warum dieser Ort vor allem Künstler anzieht: Prien ist ruhig, ohne still zu sein, und offen, ohne laut zu werden. Schaufenster der 10.000-Seelen-Gemeinde zeigen Galerien, Kunsthandwerk – aber auch, dass man hier Wert auf Gutes legt. Kulinarische Genüsse warten. Nicht selten gut versteckt. Meistens in winzigen Küchen, die nicht stärker mit der Weite des Sees in Kontrast stehen könnten. Auf beispielsweise nur knapp zehn Quadratmeter beobachte ich Sternekoch Dominik Wachter in der Küche der Wachter Foodbar. Alles ist perfekt eingespielt. Alles, außer ich. 


„Der Vorteil ist, dass alles in greifbarer Nähe ist. Die Wege sind kurz in meiner Küche.“ Zeit zum Scherzen. Die gibt´s hier immer. Während ich also versuche, nicht im Weg zu stehen, arbeitet Dominik wie ein Uhrwerk. Und er erzählt. Ganz bewusst habe er sich für die Küche entschieden. Geprägt war der Weg bereits vom eigenen Vater: Auch er absolvierte schon seine Ausbildung bei Sterne-Koch Thomas Mühlberger, damals noch direkt gegenüber. Dominik übernahm 2022 die Mühlberger-Kochschule und verwandelte den Ort in seine eigene Wachter Foodbar – eine Vision, die ohne das Fundament seines Vaters vermutlich nicht entstanden wäre. „Ich bin ein Priener, ich war immer hier und will niemals weg.“ Die Verbundenheit zu seiner Heimat, die Nähe, sie ist tatsächlich greifbar.


2023 erkocht sich der damals 35-jährige einen Michelin-Stern. 

Dazu drei schwarze Hauben von Gault&Millau. 

Alles bleibt anders

In der einstigen Kochschule hat sich seitdem so manches verändert. Aber nicht alles. Der tresenartige Rundtisch im Zentrum des Raumes ist geblieben. Das Farb- und Lichtkonzept des Raumes ist neu. „Alles sollte etwas gedeckter, erdiger, gemütlicher werden. Passend zu meiner Küche, zu meiner Philosophie.“


Eingerichtet mit Liebe zum Detail. 23 Sitzplätze. Offen und interaktiv. An den Wänden beleuchtete Einmachgläser, gefüllt mit Trompetenpfifferlingen. Kornelkirschen. Japanischem Knöterich. Fermentation als Stilmittel in der Küche. Als Dekoration an der Wand. Und ein bisschen auch, weil die winzige Küche lediglich Platz für nur einen einzigen Kühlschrank bietet. Daneben drei Induktions-Herdplatten. Für Wachter genug Raum, um sich selbst zu verwirklichen.


„Wir sammeln, was die Natur hergibt, legen ein und fermentieren. Geröstete Eicheln, Quitten. Das sind unsere Farbtupfer in der dunklen Jahreszeit.“ Fast schon zwangsläufig herrscht dadurch auch maximale Saisonalität bei Wachter. Nicht immer einfach. Aber dank ausgewählter Lieferanten auch qualitativ ein Garant. „Regional und saisonal. Das ist bei uns kein Trend. Ich kenne es gar nicht anders. Vom Fischer bekomme ich, was er fängt. Vom Gärtner, was gerade wächst. Wir arbeiten alle zusammen mit der Natur.“

Mittlerweile habe ich mich gesetzt. Vom ringförmigen Tisch überblicke ich den gesamten Raum – und finde zwei arbeitende Hände. Früher war dies ein begehbarer Weinschrank. Heute ist es die Patisserie. Hinter der gläsernen, schwarzen Front arbeitet Desiree. Zwei zusätzliche Quadratmeter, auf welchen die süßen Verführungen der Wachter Foodbar kreiert werden. Herbstliches Blätterlaub, bestehend aus erhitztem Karamell, einzeln in Form gepresst und mit Pinzette und viel Fingerspitzengefühl dekoriert. „Ich wollte einen Blätterhaufen auf dem Teller. Also haben wir uns überlegt, wie wir das umsetzen können.“ Desiree wechselte erst kürzlich von einem Drei-Sterne-Lokal zur Foodbar und ergänzt das kleine Team perfekt. Nach einer Hierarchie suche ich da vergeblich. Auf einer Ebene werden Speisekarten, Kreationen und neue Interpretationen besprochen. Das schafft Raum für echte Kreativität.


Baek Kimchi, Amazake und Blunzn

„Ich möchte keine verkopfte Küche, aber trotzdem beste Qualität und Kreativität. Die Küche soll Spaß machen, einen in den Arm nehmen. Besonders, wenn es draußen so ungemütlich ist.“ Ankommen und wohlfühlen. Nicht fancy. Einfach auf den Punkt. 


Alle vier Wochen wird die Karte komplett neu gestaltet. Vier bis sechs Gänge. Dazu einen Gruß aus der Küche, eine Erfrischung, Snacks und natürlich das selbstgebackene Brot, dessen Sauerteigherstellung ein Dauerthema in der kleinen Küche ist. Ein Thema, das im vierköpfigen Team immer wieder Fragen aufwirft. Dominik aber kennt Eleonores Geheimnisse (ja, der Teig hat einen Namen) und erklärt geduldig, während in der Pfanne der Sellerie goldbraun darauf wartet, mit dem zarten Rehrücken angerichtet zu werden. 


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