Schwarze Falten, goldene Spuren
Die Bregenzerwälder Juppe ist ein Ausdruck purer Eleganz und Schönheit. Sie zählt zu den ältesten Trachten des Alpenraums und wirkt dabei keineswegs altmodisch. Im Vorarlberger Riefensberg, nahe der deutschen Grenze, bewahren stilbewusste Frauen eine jahrhundertealte Handwerkskunst und eine Rezeptur, die Tradition mit zeitloser Ästhetik verbindet. Ein Blick hinter die Kulissen offenbart eine faszinierende Welt.

Nur wenige Tage im Jahr – immer im Spätfrühling oder Frühsommer – verwandelt sich die Juppenwerkstatt in einen Ort voller Geschichte und Handwerkskunst. Tiefschwarzer Leinenstoff wird nach einer aufwendigen, jahrhundertealten Rezeptur zu hochwertigen, eleganten Faltenstoffen – dem Bregenzerwälder Glanzleinenplissee – verarbeitet. „Die Voraussetzungen – sie müssen alle stimmen“, betont Maria Rose Steurer-Lang, Kunsthistorikerin sowie stellvertretende Leiterin und Kuratorin der Juppenwerkstatt. „Wir benötigen ganztags Sonnenschein. Der Löwenzahn muss verblüht sein und die Wälder dürfen nicht blühen. Nur so lässt sich eine Verunreinigung des Stoffes vermeiden.“
Die wahre Magie der Juppe liegt in der Handwerkskunst, die ihren Stoff zum Leben erweckt. Aus einfachem Leinen entsteht erst durch Geduld, Erfahrung und viele Handgriffe das, was die Tracht so einzigartig macht. Der Stoff wird zunächst mit Leder-Knochenleim behandelt – ein Schritt, dessen Gelingen eine Grundvoraussetzung für die Herstellung steifer, glänzender, gefältelter und elastischer Stoffe ist, die den Traditionsgewändern ihre unverwechselbare Eleganz verleihen.
Danach übernehmen jahrhundertealte Maschinen die Arbeit. „Es ist schon erstaunlich, wie alt unsere Maschinen sind und dass sie noch heute funktionieren. Unsere Glästmaschine stammt aus dem Jahr 1909“, erzählt Steurer-Lang. Unter Druck, Reibung und Wärme wird der Stoff so lange bearbeitet, bis er einen tiefen Glanz entwickelt. Was heute die Maschine übernimmt, wurde früher mit einem einfachen Marmorstein erledigt – ein Gedanke, der beeindruckt. Jede Bewegung, jede Temperatur, jeder Handgriff entscheidet darüber, ob der Stoff weiterverarbeitet werden kann.
Nun folgt das Herzstück der Juppenherstellung: das Fälteln. Mit der rund 150 Jahre alten Fältelmaschine werden präzise sieben Millimeter tiefe Falten in den Stoff gelegt. Wärme, Feuchtigkeit und Druck wirken zusammen, um dem Glanzleinen die für die Juppe typische Form zu geben. Jede Falte muss sitzen, jede Bewegung des Stoffes wird genau beobachtet – erst so entsteht das harmonische Faltenspiel von Steifigkeit und Eleganz, das die Juppe auszeichnet.
Doch die Arbeit ist damit noch nicht beendet. Jede Stoffbahn wird siebenmal sorgfältig abgebunden und anschließend über ein halbes Jahr hinweg hängend gelagert. In dieser Phase reifen sich die Falten aus, der Stoff gewinnt an Elastizität, bis er die perfekte Balance zwischen Form und Bewegung erreicht. Wer die Werkstatt betritt, kann die geduldig aufgehängten Stoffbahnen sehen – sie wirken fast wie stumme Zeugen einer Tradition, die nur durch die Hände erfahrener Frauen lebendig bleibt.
Erst nach all diesen aufwendigen Schritten wird aus dem Zusammenspiel vieler Handwerkerinnen die Tracht. Näherinnen, Stickerinnen, Knüpferinnen sowie Hut-, Kappen- und Schappalemacherinnen – das kleine Krönchen der Tracht – sowie Goldschmiedinnen verleihen der Juppe schließlich ihre endgültige Gestalt. Jede Hand, jedes geübte Auge trägt dazu bei, dass aus wertvollen Materialien ein Kleidungsstück entsteht, das Tradition, Präzision und Schönheit in sich vereint.
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