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Das echte Kitzbühel: Tummelplatz mit Alpstyle

Kitzbühel, Austragungsort der spektakulären Hahnenkamm-Skirennen, bezeichnet sich selbst mit gesundem Selbstbewusstsein als „legendärste Sportstadt der Alpen“. Am „Streif“-Wochenende ist der Ort in den Tiroler Bergen in aller Munde und regelmäßig Gast in der Boulevardpresse. Tatsächlich vereint Kitzbühel jedoch wie kaum eine andere Destination gewachsene Traditionen und Lifestyle: Man kann hier Hauben-Küche oder bodenständige Gerichte genießen, im modernen Design-Hotel oder im rustikalen Chalet übernachten.
Titelfoto: © photog.raph

Wer Kitzbühel noch nie selbst besucht hat, der wird sich vielleicht wundern. Zwischen schicken Hotels und exklusiven Restaurants, finden sich nämlich keineswegs nur Nobel-Boutiquen, sondern auch bodenständige Lokale, interessante Menschen und spannende Geschichten. Das gilt nicht nur für den schönen Ortskern, sondern genauso auch für die umliegenden Stadteile. Wir wollen wissen, wie Kitzbühel wirklich tickt und machen uns dafür auf Richtung Süden, Richtung Pass Thurn. Wenige Kilometer hinter Jochberg finden wir an der B161 ein eher unscheinbar wirkendes Wirtshaus, das auch Zimmer vermietet. Die Alte Wacht heißt nicht von ungefähr so. Im 19. Jahrhundert, als Tirol zu Bayern gehörte, verlief ganz in der Nähe die Grenze zu Salzburg. Es gab ein Zollgebäude und ein Munitionsdepot. Als dann um 1840 die heutige Bundesstraße kam, wurde die „Wacht“ an neuer Stelle wieder aufgebaut. Inzwischen ist sie seit drei Generationen im Besitz der Familie Zwertetschka.

Wer hier an einem Sonntagabend einkehrt, wenn die Tagesausflügler längst zuhause sind, merkt schnell: Das Wirtshaus hat sehr viele Stammgäste, die wenigsten Besucher sind typische Touristen. Man kennt sich, man begrüßt sich, man macht ein bisschen Small Talk. Ein älteres Ehepaar lässt sich einen Rostbraten mit Eierschwammerl (Pfifferlingen) und Spätzle schmecken, am Nachbartisch bestellt ein allein hereingeschneiter Herr ein Rehschnitzel – beide Gerichte kosten nur um die 20 Euro. Die Speisekarte ist bodenständig, bietet auch Klassiker der österreichischen Küche wie ein Wiener Schnitzel und ist bekannt für die stets frischen Forellen. Dass einfache und gute Küche kein Widerspruch zum durchaus auch gehobenen Klientel Kitzbühels darstellt, wird hier offensichtlich. Alle genießen hier gemeinsam – egal ob man nun zu Fuß oder mit dem Charterflugzeug angereist ist.

Wirt und Gastgeber Stefan Zwertetschka verrät natürlich keine Details über seine prominenten Stammgäste. Aber er erzählt gern, dass hier früher Wilderer auf eine Halbe Bier vorbeischauten und man sich im Winter auf der gefrorenen Straße zum Eisstockschießen verabredete. „Mehr als drei Autos kamen ja selten pro Tag. Die mussten dann warten, bis die Partie zu Ende gespielt war.“ Das ehemalige Munitionsdepot diene heute als Getränkelager, beherberge also im weiteren Sinn nach wie vor „Munition“. Herrlich normal geht es in der „Wacht“ zu. Genau das schätzen die Gäste. Und so soll es auch bleiben. Die vierte Generation, noch einstellig an Jahren, übt bereits im Service. Zumindest in den Sommerferien. Denn im Winter sind die nahen Skipisten einfach zu verlockend. Außerdem: Wer später einmal die „Streif“ gewinnen will, muss schließlich früh anfangen.

 

Apropos Skifahren. Kitzbühel kennt fünf Jahreszeiten. Die fünfte steigt am „Streif“-Wochenende, dem berühmtesten Skirennen der Alpen und wohl auch der Welt. Selbsterklärend, dass Kitzbühels Ausnahmezustand ein Erlebnis ist. Wer es aber einmal selbst erleben will, muss früh dran sein: Wenn sich die Athleten dann die bis zu 40 Grad steile Abfahrt hinunterstürzen, sind die Zimmer rund um die legendäre Streif meist restlos ausgebucht. Kitzbühel scheint dann fast so, wie es die Boulevard-Presse nur zu gern darstellt. Dabei stehen sich beim Hahnenkamm-Rennen keineswegs nur die Promis die Füße auf der Tribüne platt. Die fünfte Jahreszeit wirkt auf alle Menschen mit der gleichen Faszination.

 

 

Es steht außer Frage: Dass Kitzbühel zur legendärsten Sportart der Alpen werden konnte, daran hat das Hahnenkamm-Rennen eine beachtliche Teilschuld. Es sind aber auch die Menschen, die aus ihrem Kitzbühel das gemacht haben, was wir heute kennen. Es sind durchaus traditionsbewusste Menschen, die noch die Werte von damals schätzen, ohne aber die Gegenwart aus den Augen zu verlieren. Dass man dafür nicht einmal gebürtiger Kitzbüheler sein muss, dass die Stadt auch offen für Ideen von außen ist, das beweist Peter Löw, ein Investor und Unternehmer, der laut Manager-Magazin 2020 auf Platz 320 der reichsten Deutschen rangierte. Löw ist Initiator des „European Heritage Project“ (EHP), dessen Ziel es ist, mit Hilfe von Investoren Kulturerbe-Bauten und Denkmäler zu restaurieren und für die Nachwelt zu erhalten. Bereits zu Beginn des Jahrtausends hatte das EHP zwei historische und regional einzigartige Einödhöfe aus dem frühen 17. Jahrhundert in Reith bei Kitzbühel erworben und saniert. In den Jahren 2012/13 gelang es dem EHP dann, einen wichtigen Mosaikstein der Kitzbüheler Altstadt zu erwerben, nämlich das alte Berggerichts-Gebäude und das sogenannte Lacknerhaus. Als höchster Profanbau der Stadt hat das freistehende Berggericht das historische Stadtbild seit jeher entscheidend geprägt.

 

Inzwischen ist die Sanierung des zweiten Gebäudes auf der Zielgeraden. Im Berggericht, dem „alten“ Finanzamt, ging im Mai ein Gourmet-Restaurant gleichen Namens an den Start. Für die gastronomische Gesamtleitung konnte Löw den gebürtigen Wiener Heinz Hanner gewinnen, einen der besten Köche Österreichs, seit mehreren Jahrzehnten im Geschäft und dazu ein begnadeter Entertainer, der Gott und die Welt kennt. Hanner wiederum lockte den jungen Marco Gatterer vom Wörthersee, wo er im Restaurant „Saag Ja“ kochte, als Küchenchef in die Gamsstadt.

Unter dem Strich sind das somit beste Voraussetzungen, als wir zum Fine Dining in den historischen Gemäuern des Berggerichts Platz nehmen. „Zurück in die Zukunft – Gerichte mit Geschichte“ heißt das Motto des Sieben-Gängers „Tiroler Festschmaus“, der sich an der österreichischen Küche sowie Klassikern der französischen Haute Cuisine orientiert, traditionelle Rezepte im neuen Gewand serviert und dabei möglichst viele regionale Produkte in Szene setzt. Schon nach den Amuses Bouches ist klar: Da tritt ein Team an, das nur ein Ziel kennt – zum besten Restaurant der Stadt zu werden. Ob Saibling oder marinierte Entenleber, ob Hechtnockerl oder Kitzbüheler Rostbraten von der Gams – jeder Teller löst am Gaumen neue Explosionen und Sensationen aus. Bei der Weinfolge sind die Etiketten der Löw’schen Besitzungen gesetzt. Da ist einmal Schloss Frankenberg im südlichen Steigerwald (u.a. Riesling, Roter Traminer), zum anderen Vergenoegd-Löw, eines der ältesten Weingüter Südafrikas (u.a. Merlot, Cabernet Sauvignon und Shiraz). Auch der Port, den Hanner zur Entenleber mit Holunder und Kirsche entkorkt, stammt von Löws Reben in Stellenbosch. Der Süßwein harmoniert dabei ganz wunderbar mit den Aromen der dunklen Früchte.

Interessant ist auch das Ambiente und Interior Design des Berggerichts, denn Löw ist ein passionierter Kunstsammler. An den Wänden hängen zum Beispiel alte Speisekarten und Rezepte, teilweise noch aus der k.u.k-Zeit. Ja, das Berggericht steht im krassen Kontrast zur Alten Wacht. Auch wenn sich beide Destinationen in historischen Gebäuden befinden, auch wenn viel Holz die Stuben heimelig werden lässt, im Berggericht setzt man gerne noch einen drauf, schafft mit geschickten Licht-Schatten-Spielen eine einmalige Stimmung und tischt natürlich nur das Allerfeinste auf. Was beide Häuser dennoch gemeinsam haben? Beide befinden sich im Kitzbüheler Dunstkreis, was natürlich bedeutet, dass es sich hier auch die Schönen und Reichen schmecken lassen – aber eben nicht nur die!

Und so spielt es einmal mehr keine Rolle, wer nach dem Essen noch einen Gin oder Obstbrand an der Theke verkostet, wer sich dort mit wem verplaudert, oder wer nun wann in die Federn fällt. Für uns endet hier ein ausgesprochen leckerer, überraschender und lebensfroher Tag in Kitzbühel.  

Auf die nächste Edition des Restaurant-Führers von Gault&Millau darf man übrigens gespannt sein. Denn die Auszeichnung „Bestes Restaurant der Region“ ist neu zu vergeben! Zuvor konnte sich schon Simon Taxacher mit seinem Kichberger Hotel Rosengarten diesen Titel auf die Fahnen schreiben. Diesmal haben dagegen Hanner & Gatterer beste Chancen, diesen Preis einzuheimsen, sofern Hanner genug Zeit hat, sich um die weitere Evolution des Berggerichts zu kümmern. Denn er berät als Senior Consultant sämtliche gastronomischen Unternehmungen des „European Heritage Project“ in aller Welt. Gleichzeitig beteiligt er sich an der Qualitätsoffensive für die Weingüter Vergenoegd und Schloss Frankenberg, beaufsichtigt die Olivenölproduktion in der Toskana und die historischen Zitrusfrüchte-Plantagen am Gardasee – allesamt Löw-Unternehmungen.

 

Wie gut also für die Stadt Kitzbühel ein frischer Wind von außen sein kann, das zeigt keineswegs nur Peter Löw allein. Heinz Schultz mit seiner Schultz-Gruppe ist Österreichs größter privater Betreiber von Skigebieten und Eigentümer mehrerer Hotels. Er übernahm erst im vergangenen Jahr das traditionsreiche Alpenhotel am Schwarzsee. Ein ****-Hotel wie aus dem Kitzbüheler Bilderbuch entstand. Wieder spielen holzverkleidete Wände und große Glasfronten die Hauptrolle. Gekonnter Minimalismus mit klaren Linien, Wellness und feinster Kulinarik. Letzteres gibt’s im Steghaus, der sogenannten Lakeside Lodge. 

 

Der Schwarzsee selbst war dabei schon immer ein beliebter Rückzugsort für die Einheimischen, obwohl das Hotel bereits seit 1902 ein Recht auf die See-Nutzung hat. Einmal mehr geht aber das eine mit dem anderen Hand in Hand: Damit auch weiterhin die Tages- und Badegäste den See genießen können, hat man sich dazu entschieden auch nach der Übernahme des Hotels eine Badeanstalt zu betreiben und sogar mit einem neuen Anbau zu erweitern. Die Idee der Lakeside Lodge war geboren.

Als wir in der Lakeside Lodge einchecken, ist die lange Geschichte um den Schwarzsee spürbar. Der erweiterte Badebereich ist nach wie vor für Jedermann geöffnet. Es gibt neue Umkleiden, warme Duschen und eine See-Sauna. Und mit dem neuen Parkplatz direkt hinter dem Alpenhotel stehen jetzt auch mehr Stellplätze zur Verfügung. Außerdem sind das neue Steghaus und die Lakeside Lodge ein echter Hingucker geworden. Hotelgäste der beiden Dependencen, Tagesausflügler und Einheimische genießen einmal mehr gemeinsam den großzügigen Lounge-Bereich am See und lassen sich im Restaurant verwöhnen.

Wenn man es dann etwas ruhiger wünscht, zieht man sich in die Suite der Lakeside Lodge zurück, heizt die Panorama-Sauna an und lässt den Blick über den Schwarzsee schweifen, der selbst bei Regen begeistert, wenn ein leichter Nebelschleier über der Wasseroberfläche liegt. 

Maximilian, der Sohn von Heinz Schultz, der nach Abschluss seines Wirtschaftsstudiums in die Geschäftsführung des Unternehmens eingestiegen ist, ist sehr zufrieden mit dem Ergebnis: „Der Schwarzsee ist ein wahrer Kraftort“, schwärmt er. „Wir haben hier eine Toplage. Diesem Anspruch wollten wir gerecht werden. Bis zum Jahresende werden wir auch den Umbau des Haupthauses mit vergrößertem Wellnessbereich abgeschlossen haben. Wir freuen uns dann auf eine erfolgreiche erste Wintersaison an diesem Naturjuwel.“

Begeistert ist auch Anna Lena Obermoser von Kitzbühel Tourismus, die zufügt: „Das altbekannte Kitzbühel-Image ist Segen und Fluch zugleich, dabei bieten wir etwas für jeden Geschmack und Geldbeutel, vom Urlaub auf dem Bauernhof über Camping bis zum Luxushotel.“ Auch reihe sich in der Gamsstadt keineswegs nur ein Hauben-Restaurant an das nächste. Tatsächlich ist es so, dass sich derzeit 13 Hauben auf elf Lokale verteilen. Das Alpenhotel am Schwarzsee sei übrigens gerade für die Diversität der Stadt mindestens ein so gutes Beispiel wie das Berggericht oder die Alte Wacht. Wer traditionsbewusste Küche suche, der finde sie in Kitzbühel ebenso wie die kulinarische Extravaganz auf höchstem Niveau. Das sei es ja gerade, so Obermoser, was Kitzbühel ausmache. Heute so – und morgen vielleicht schon wieder ganz anders! 

Einer der Platzhirsche in Sachen Kulinarik ist das Restaurant Kaiserstuben im Sporthotel Reisch im Zentrum von Kitzbühel. Hier isst man, wenn man die lange Tradition von Kitzbühel als Sport- und Lifestyle-Metropole hautnah spüren und erleben will. Franz Reisch importierte einst die ersten Skier aus Norwegen nach Kitzbühel und brachte so den Winter-Tourismus ins Rollen. 1912 folgte mit dem Bau des Sporthotels eine weitere Pionierleistung, denn damals waren Hotels in den Tiroler Bergen noch keine Selbstverständlichkeit. Heute wohnt man in individuell eingerichteten Legendenzimmern und reist so in die Kitzbüheler Vergangenheit, ohne das Hotel verlassen zu müssen. Die „Wunder-Suite“ erzählt zum Beispiel die Geschichte der besten Mannschaft aller Zeiten, die der Kitzbüheler Ski Club je hatte. Das Team um Toni Sailer, Ernst Hinterseer, Christian Pravda, Fritz Huber, Anderl Molterer und Christian Leitner beherrschte in den 1950er Jahren den internationalen Skirennsport. Auf dem Weg zum Siegertreppchen kam an ihnen niemand vorbei.

In der Küche setzt Mike Mayr-Reisch ebenfalls auf Kontinuität, und zwar in jeder Hinsicht. Er hat mit Fred Reisinger seit 25 Jahren den gleichen Küchenchef. „Würde er Tafelspitz und Wiener Schnitzel
von der Karte streichen, gäbe es Proteste der Stammgäste“, räumt der Hotelier ein. Und auch hier zeigt sich wieder: Kitzbühel ist mehr als nur das, was auf glitzernden Klatsch- und Tratsch-Seiten zu sehen ist. Eine urige Gemütlichkeit liegt in den fünf Stuben des Hauses. Von drüben klingt das gedämpfte Tratschen der Nachbarstube zu uns herüber. Von der anderen Seite das Klingen zweier Rotweingläser. Und von irgendwoher das lebensfrohe Lachen einer geselligen Runde, immer wieder unterbrochen von kurzen, ganz stillen Pausen. So ist es nun mal, wenn’s schmeckt! Langsam gewöhnen also auch wir uns an die Vielfalt der Kitzbüheler Kulinarik-Szene.

Ähnlich bodenständig geht es im Vier-Sterne-Haus Zur Tenne zu, das zentral in der Kitzbüheler Innenstadt liegt. Bereits 1543 wird das Haus erstmals urkundlich erwähnt, 360 Jahre später, 1903, erwirbt es der Ski-Pionier Fritz Reisch. In den folgenden Jahren werden immer wieder Bäder sowie die Gästezimmer und Suiten im Tiroler Landhaus-Charme mit viel urigem Altholz und modernen, französischen Stoffen renoviert.  Im Hotel Zur Tenne, das sich auf viele Stammgäste verlassen kann, wohnt man heute tatsächlich mit dem größten Vergnügen. Chef de Cuisine Jörg Behrend (12 GM-Punkte) setzt darüber hinaus auf alpenländische Küche mit mediterranem Flair: Loup de Mer trifft Tagliatelle mit Pfifferlingen, Tiroler Forelle trifft Schweinebauch mit Kohlrabi-Mango-Salat und Sesam-Reiswein-Vinaigrette. Ganz hoch im Kurs stehen jedoch auch die Klassiker wie Wiener Schnitzel vom heimischen Milchkalb, Tafelspitz und Backhendl.

Apropos Klassiker: Ein Kitzbühel-Ausflug ohne einen Besuch des Hahnenkamm-Stüberls geht natürlich gar nicht. Und auch hier trifft man ganz direkt und völlig ohne Umwege auf die Menschen, die hinter der Marke Kitzbühel stehen. Wirtin Elisabeth „Lis“ Schipflinger ist schlichtweg eine Institution. Ihre Hütte liegt zwar etwas entfernt vom Starthaus der „Streif“, trotzdem geht es am Renn-Wochenende, wenn bis zu 100.000 Besucher die Strecke belagern, bei ihr zu wie in einem Taubenschlag. Bereits um sieben Uhr morgens kehren die Bergbahn-Mitarbeiter dann zum Frühstück ein. „Die Leute kommen in Wellen“, sagt sie. „Später sind es diejenigen, die kein Ticket bekommen haben. Für die schalte ich den Fernseher ein. Nach der Übertragung wird der aber wieder ausgemacht, denn wir sind ja kein TV-Stüberl.“ Reservierungen nehme sie am Streif-Wochenende grundsätzlich nicht an: „Wer zuerst kommt, mahlt zuerst.“

Die Lis hat jetzt 45 Jahre hier oben verbracht, drei Jahre mehr sogar, wenn man ihre Lehre mitzählt. Mitglied im Kitzbüheler Ski Club ist sie seit 1969. Als 17-jährige war sie sogar Tiroler Meisterin, ehe ein Unfall ihre Ski-Karriere beendete. Für die Gäste ihres Stüberls war das Unglück ein Glücksfall. Denn sonst gäbe es hier nicht ihren legendären karamellisierten Moosbeeren-Schmarrn. Im Hochsommer schwärmt die ganze Familie aus, um die Heidelbeeren für diese Spezialität zu ernten. „150 Kilo brauche ich schon, damit die Früchte bis zum nächsten Jahr reichen“, sagt die Lis und schenkt noch eine Schorle mit Zirbensirup ein, die nur Gäste bekommen, die sie sympathisch findet. Das sind nicht alle. Kürzlich habe einer mit dem Finger in der Karte auf ihren Moosbeeren-Schmarrn gedeutet und süffisant gefragt: „Kann man den essen?“ – „Ja mei, was soll man auf eine so saudepperte Frage groß antworten?“, fragt die Lis da zurück. Sie ging dann erst einmal Skifahren. „Im Corona-Winter 2020/21 kam ich auf 100 Skitage. Traumhaft! Ich war das erste Mal seit Jahrzehnten tagsüber Skifahren.“ Und schon ist sie wieder auf dem Weg in die Küche. Die Arbeit ruft und von der hat die Lis ganz offensichtlich mehr als genug. Auszumachen scheint ihr das nichts. Findet das gute Herz des Hauses nämlich auch nur eine freie Minute, dann sitzt sie schon wieder am Tisch mit ihren Gästen, ihren Freunden und eben allen, die es hier heraufgeschafft haben. Schnell schwelgt und lacht sie dann so, als würde man sich schon ewig kennen, so wie man es nur kann, wenn man wirklich liebt, was man macht. 

Tatsächlich hat die Pandemie auch die Gastro- und Hotelszene der Gamsstadt etwas durcheinandergewirbelt. Eine feste Größe sind jedoch seit vielen Jahrzehnten die Harisch Hotels. Die Gruppe ist ein gestandenes Familienunternehmen in vierter Generation und zählt in Kitzbühel ein Dutzend Betriebe, von der Bar bis zum Luxushotel. Christian Harisch, von Beruf Touristikkaufmann und Rechtsanwalt, entstammt selbst einer Kitzbüheler Hoteliersfamilie und ist auch Obmann im Vorstand von Kitzbühel Tourismus. Mit seiner Marke Lanserhof ist er im Bereich der Medical Wellness eine der führenden Adressen in Europa, mit Häusern von Tirol bis Sylt und von London bis Tegernsee.

Auch in Kitzbühel lassen sich er und sein gastronomischer Leiter Jürgen Kleinhappl immer wieder etwas Neues einfallen. Kleinhappl war ehemals jüngster Sternekoch der Alpenrepublik. Seit einigen Jahren kümmert sich der passionierte Sportler gemeinsam mit der ausgebildeten Sommelière Martina Feyrsinger, um die kulinarischen Akzente der Harisch-Betriebe. Neu an den Start ging im Sommer die Harisch Bar. Die junge Service-Truppe mixt nicht nur coole Drinks, sondern kredenzt auch kleine Gerichte in angesagten Bowls. Die neue Trendbar trumpft dabei mit einem kecken Motto und setzt sich damit gekonnt über das übliche Kitzbühel-Klischee hinweg. Ein Klischee, das wir in der Stadt ohnehin kaum finden. Von dem wir immer mehr lernen, dass es kaum etwas mit dem echten Kitzbühel zu tun hat. „Taking life not too seriously is the real luxury“.

So bestätigt sich mit dem Besuch in der Harisch Bar nicht nur, das Kitzbühel einfach nicht in eine Schublade gequetscht werden kann, es zeigt sich auch, wie schön ein junger, trendiger Betrieb das Zentrum Kitzbühels aufpeppt!

Klar, das ebenfalls zur Harisch-Gruppe gehörende Hotel Goldener Greif wird immer ein Haus bleiben, in dem die klassischen Werte hochgehalten werden. Das Lisi Family Hotel im Ortsteil Reith hat die Zielgruppe ja schon im Namen. Und auch der Berggasthof Sonnbühel ist als eine der ältesten Skihütten der Alpen der langen Tradition verpflichtet. Bei anderen Hotels wird auf andere Konzepte gesetzt: Der Schwarze Adler zum Beispiel ist jetzt ein Adults-Only-Hotel. Mit einem Roof-Top-Pool, der tolle Blicke auf die Stadt bietet, modernem Interior Design und einer trendigen Bar lockt er auch junge Paare nach Kitzbühel, die weder auf moderne Wellness-Einrichtungen noch auf City-Life direkt vor der Nase verzichten wollen. 

Im Schwarzen Adler befindet sich mit dem Neuwirt Kitzbühel (2 GM-Hauben und 14 Punkte) auch das Signature-Restaurant der Harisch Hotels. Das Motto ihres „jungen, wilden“ Küchen-Chefs Joachim Jaud: „Erlaubt ist, was gefällt“. Und das heißt: Schnitzel und Trüffel kommen hier einträchtig nebeneinander auf den Tisch. Wer Lust darauf hat, bestellt Kalbfleisch-Pflanzerl. Wer es lieber japanisch angehaucht mag, ordert Sashimi. Wer Fisch und Fleisch mag, wählt eine neue Interpretation von Surf n‘ Turf mit Tatar von Thunfisch und Rind. Und wer es klassisch liebt, nimmt Jakobsmuscheln mit Kaviar. Oder eben von allem ein bisschen. So geht bürgerliche Wirtshausküche mit modernem und internationalem Twist! Dazu trinkt man Champagner. Oder auch mal ein Helles, wenn der Durst groß ist.

Seit hier Feyrsinger und Kleinhappl das Ruder übernommen haben, steuern Schwarzer Adler und Neuwirt Kitzbühel souverän in die richtige Richtung. Nämlich in Richtung eines Kitzbühels, dass, wie wir während unseres Aufenthaltes gelernt haben, einfach alles zu können scheint. Denn wo sonst in den Alpen liegt Traditionsbewusstsein und Moderne, Luxus und Bodenständigkeit, ja wo sonst sitzen Einheimische und Touristen so gern beieinander, wie hier in Kitzbühel?
Autoren: Günter Kast & Benni Sauer

Allgemeine Auskünfte
www.kitzbuehel.com

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