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F(r)isch auf den Teller

In der Bergfischzucht Gunzesried im Allgäu wachsen Elsässische Saiblinge heran, die jede Forelle blass aussehen lassen, wie Feinschmecker wissen. Das Beste dabei: Man kann sich die Flossenträger in der rustikalen Brotzeitstube vor Ort fangfisch zubereiten lassen und den Ausflug mit einer Wanderung im Naturpark Nagelfluhkette verbinden.

Kässpatzen, Wurstsalat, Bergkäs, deftige Knödel – einmal probiert, für immer verführt. Die meisten Gäste, die ins Oberallgäu reisen, haben eine klare Vorstellung vom kulinarischen Koordinatensystem ihrer Urlaubsregion. Alpen und Hütten bedienen diese Vorstellung gerne, und es ist ja auch gar nichts falsch daran. Aber genau deshalb mutet es eben ein bisschen exotisch an, wenn man auf einer Wanderung im Gunzesrieder Tal westlich von Sonthofen auf ein Blockhaus aus großen Stämmen trifft, in dem eine gemütliche Brotzeitstube samt Sonnenterrasse Saiblinge anbietet: fangfrisch aus der Pfanne, geräuchert, gebeizt, sauer mariniert oder als Fischsalat, dazu elegante Weine aus Österreich. Jedem Gourmet geht dabei das Herz auf, denn er weiß: Saiblinge sind die viel besseren Speisefische als Regenbogenforellen. Letztere sind aber leichter zu züchten. Und ihrem Futter wird häufig Carotin beigemischt, damit ihr Fleisch eine rosa Farbe bekommt und sich die Fische als „Lachsforellen“ verkaufen lassen, was an sich schon ein Schmarrn ist.


Petra Bindseil lächelt, wenn man sie darauf anspricht. Ihr ist klar: Fischzuchten haben nicht den allerbesten Ruf, aber wenn die ganze Welt Wildfang verzehren würde, gäbe es bald gar keine Flossenträger mehr. Sie und ihre Geschäftspartner – drei alteingesessene Familien aus dem Tal – horchten deshalb auf, als sie im Fernsehen einen Bericht über die österreichische Firma „Alpenlachs Aquakultur GmbH“ sahen. Sie haben auf ihrem Grund ja diese Quelle, aus der jeden Tag eiskaltes, sauberes, sauerstoffreiches und nährstoffarmes Wasser sprudelt und ungenutzt in die Gunzesrieder Ach fließt. Das wären doch perfekte Bedingungen für den Saibling, den die Niederösterreicher aus Marketinggründen „Alpenlachs“ getauft haben. Allein: Das Franchise-System gefiel den Allgäuern nicht. Also machten sie sich selbst schlau und beantragten 2015 bei den Behörden den Bau und Betrieb einer Aquakultur. Wohlwissend, dass in den vergangenen 15 Jahren kein solches Ansinnen genehmigt worden war, und sich ihre Quelle zudem im Naturpark Nagelfluhkette mit seiner besonderen Geologie befindet.

Für die Quereinsteiger beginnt eine aufregende Zeit. Um grünes Licht zu erhalten, müssen sie ein Gutachten über die Kleinstlebewesen vorlegen und eine eigene Kläranlage bauen – um nachzuweisen, dass das Wasser, das in den Bach zurückfließt, annährend so sauber ist wie das Quellwasser. Anfangs haben sie alle drei Monate eine Schöpfprobe vorzulegen, inzwischen genügt das jedes halbe Jahr. Dann endlich können die Zuchtbecken gebaut werden. „Beton ist erste Wahl“, erklärt Bindseil, auch wenn es optisch ansprechendere Lösungen gebe. „Es sind da keine Ritzen, die verschmutzen.“ Die rechteckigen Durchströmungsbecken punkten mit einer neuartigen Konstruktionsweise: Schräg zur Mitte positionierte Absetzrinnen sammeln die Ausscheidungen der Tiere und führen diese der vollbiologischen Kläranlage mit fünf anschließenden Pflanz-Absetzteichen zu. Diese Bauweise schafft einen hygienischen Lebensraum und fördert so die Fischgesundheit.


Jetzt braucht es nur noch befruchtete Fischeier. Anfangs bestellen die Gunzesrieder in Kanada Rogen von Salvelinus alpinus, dem Arktischen Saibling, der in Nordamerika und Skandinavien heimisch ist. „Die Eier kamen mit dem Flugzeug“, erzählt Bindseil. „Das war alles andere als nachhaltig und oberndrein sehr teuer.“ Dann entdecken die Züchter den Elsässer Saibling, eine Kreuzung aus dem nordamerikanischen Bachsaibling und dem heimischen Seesaibling. „Der wird aus dem Bayerischen Wald geliefert, per Post und im Auto.“ Natürlich sehr vorsichtig und behutsam. Denn die Eier sind empfindlich, brauchen auch beim Transport sehr kaltes und sauberes Wasser. Saiblinge sind da viel anspruchsvoller als etwa Regenbogenforellen. Von November bis Dezember kommen die vorgebrüteten Eier in ein Bruthaus, bis zum Schlupf dauert es 15 bis 20 Tage. Im Fischkindergarten entwickeln sich die Saiblinge im ersten Jahr bis zu einem Gewicht von etwa 120 Gramm. Nach zwei Jahren kommen die Jungfische dann schon auf 250 bis 400 Gramm, im dritten Jahr erreichen sie Portionsgröße. Einigen glücklichen Saiblingen sei die Flucht gelungen. „Das ist aber kein Problem, weil sie steril sind und so keine Gefahr besteht, dass sie sich mit heimischen Bachforellen in der Gunzesrieder Ach kreuzen."

Damit die Flossenträger ordentlich wachsen, brauchen sie das richtige Futter. Saiblinge sind Raubfische, sie wollen Eiweiß. Typischerweise stammt das von Soja und Fischmehl. Weil beides in der Kritik steht, wollen die Gunzesrieder die Sojabohnen durch Raps ersetzen und das Fischmehl durch Maden, die in einer hauseigenen Anlage gezüchtet werden, entwickelt von der Münchner Firma FarmInsect. „Derzeit fehlt noch der Platz, aber das können wir lösen“, sagt die Züchterin. „Wir sind bereits in der finalen Testphase. Im Lauf des Jahres 2022 soll die Madenzucht an den Start gehen. Wenn es klappt, wäre das Futter viel nachhaltiger. Und ein Hauptkritikpunkt an Fischfarmen fiele weg.“ Schon jetzt sorgt eine moderne Anlage dafür, dass das Futter wohldosiert über die gesamte Beckenfläche verteilt wird. Mehrmals täglich heißt es für die Fische „Guten Appetit!“

Drei Generationen Saiblinge tummeln sich in den Becken. Jährlich kommen 30.000 bis 40.000 Eier im Kindergarten an, 70 Prozent der Youngster schaffen es zur Schlachtreife – eine so hohe Quote erreicht man nur mit artgerechter Haltung. Elf bis zwölf Tonnen schlachtreife Fische produziert die Zucht pro Jahr. Vier Fünftel der Tiere werden gleich vor Ort in der Brotzeitstube und auf der Terrasse verspeist, ohne lange Transportwege. Das zeigt, wie bekannt und beliebt die Fischzucht inzwischen ist. Der Rest geht an Privatpersonen, die die Schuppenträger abholen und selbst zubereiten, sowie an Allgäuer Gastronomen, vor allem an einige Spitzenrestaurants.


Und wie genießt die Chefin ihren Saibling am liebsten? „Als ganzen Fisch, in der Pfanne gebraten, gebeizt, oder kalt geräuchert.“ Nur das Filet zu verwenden, findet sie persönlich unethisch und ein bisschen verschwenderisch. Auch für Sashimi seien die Fische bestens geeignet, die reich an hochwertigen, mehrfach ungesättigten Omega-3- und Omega-6-Fettsäuren sind. Wenn man Petra Bindseil auf Zukunftspläne anspricht, sagt sie: „Wir wollen nicht expandieren, sondern klein und nachhaltig bleiben.“ Allenfalls das Züchten von Aalrutten, auch Quappen genannt, könne sie sich vorstellen. „Das sind ebenfalls sehr sensible und nicht leicht zu haltende Tiere“ – eben ein Fall für die Fisch-Flüsterin.


Text: Günter Kast

Fotos: Bergfischzucht Gunzesried

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