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G wie Gröden, G wie Genuss

Stern(e)stunden im Schnee

Das Val Gardena in Südtirol ist für Gourmets ein wahres Paradies. Dicht auf dicht drängen sich spannende Kulinarik-Adressen. Man weiß gar nicht, wo man zuerst schlemmen soll: unten im Tal in den feinen Restaurants der Luxushotels, oder oben am Berg in den extravaganten Hütten? Aber keine Sorge: Beides lässt sich wunderbar kombinieren, sommers wie winters.


Wenn die Ladinisch sprechenden Grödner gemütlich zusammensitzen und mit einem guten Glas Wein anstoßen, dann sagen sie „Vives!“ Korrekt übersetzt heißt das: „Er oder sie lebt“, aber gemeint ist eigentlich „Auf das gute Leben!“ Und das ist durchaus wörtlich zu verstehen. Die Menschen im Tal lassen es sich gut gehen. Und sie sorgen dafür, dass es auch ihren Gästen an nichts fehlt. Man genießt in vollen Zügen: im Winter auf den schier endlos langen Skipisten, im Sommer in der vertikalen Arena zwischen Sass Rigais, Langkofel und Sellastock. Hier holt man sich den Appetit für die kulinarischen Abenteuer, für das „Dolce Vita“ – schließlich ist man immer noch in Italien.


Nun ist es ja wirklich keine Kunst, im Grödnertal gut zu essen. Man kann sorglos in jeder Dorfwirtschaft oder einer der 65 (!) Berg- und Almhütten einkehren, fast alle seit Generationen Familienbetriebe. Und wird dort stets würzigen Käse und Speck, geräucherte Würste und knuspriges Schüttelbrot finden, das „Pan sech“ aus Roggenmehl. Dazu selbstgemachte Pasta, Schlutzkrapfen und Knödel-Variationen. Mehr braucht es oft nicht. Aber manchmal soll es eben ein besonderes Erlebnis sein. Oder es gibt etwas zu feiern. Dann darf es auch mal mediterran und leicht statt alpin und rustikal zugehen; dann wünscht man sich schon mal Meeresfrüchte und Fisch statt bodenständige Kost auf der Karte. Um es vorwegzunehmen: Das Val Gardena ist auch dafür bestens gewappnet und lockt mit Gaumenfreuden der Extraklasse!


Der aktuelle Gourmetführer „Guide Michelin 2022“ verlieh an 19 Restaurants in Südtirol einen oder mehrere Sterne. Zwei davon befinden sich in Gröden, ein drittes ist auf dem besten Weg zum Stern. Diese drei Adressen im Tal stellen wir auf den folgenden Seiten vor – und ergänzen sie durch drei Hütten-Empfehlungen für außergewöhnliche Genuss-Stunden am Berg. Ganz frei nach dem Motto: Ein Tal, drei Orte, drei Lokale, drei Rifugi.

Anna Stuben

Hotel Grödnerhof, St. Ulrich | 1 Stern, 4 GM-Hauben und 17 Punkte

Die Geschichte des Fünf-Sterne-Hotels Grödnerhof beginnt im Jahr 1923, als Anton und Anna Demetz, die Großeltern des heutigen Besitzers Hugo Bernardi, ein Privathaus kauften und es in einen Gastbetrieb umwandelten. Später gab es in der Familie noch weitere „Annas“, die oft auch exzellente Köchinnen waren. Doch zum kulinarischen Leitstern des Tales wurden die Anna Stuben mit Armin Mairhofer, der für das Haus erstmals einen Michelin-Stern eroberte. Als der heutige Chefkoch Reimund Brunner 2011 das Zepter übernahm, trat er deshalb ein nicht ganz leichtes Erbe an. Doch dem 1976 in Feldthurns im Eisacktal geborenen Brunner ist es Jahr für Jahr gelungen, diesen wichtigsten Stern im Leben eines Spitzenkochs zu bestätigen – was natürlich auch daran liegt, dass er hervorragende „Lehrer“ hatte, von Hans Haas (Tantris) und Herbert Hintner (Zur Rose) über Horst Petermann (Kunststuben) bis Thomas Dorfer (Landhaus Bacher).


Wer die schöne, holzvertäfelte Stube betritt, fühlt sich augenblicklich wohl. Oft entscheidet sich in diesen ersten Minuten, wie der Abend verlaufen wird. Es sind ja immer so viele Entscheidungen zu treffen. Eines der drei Degustations-Menüs oder à la carte? Mit für einige „schwierigen“ Tellern wie Innereien, oder liebe ohne? Die Weinbegleitung klassisch und mit Fokus auf Südtirol, oder mit Ausflügen in die weite Welt und die für viele noch neuen Sphären der Orange-Weine? Da braucht es einen kompetenten Sommelier und Saaldirektor, der professionell neugierig, aber unaufdringlich die Weichen stellt. Mit Egon Perathoner hat Brunner einen perfekten Sparrings-Partner und einen der talentiertesten Sommeliers Südtirols gefunden. Der freilich davon profitiert, dass ihm sein Vorgänger Franz Lageder einen bemerkenswerten Weinkeller übergab, den Perathoner als Kenner unzähliger Etiketten aus aller Welt weiter geschickt ausbaut. Kein anderes Restaurant in Gröden bietet zum Beispiel eine größere Auswahl an Toskanischen Weinen.


Es spricht also alles dafür, sich diesen beiden so hervorragend miteinander harmonierenden Herren anzuvertrauen, sprich: ihnen bei Menü und edlen Tropfen hoher Winzerkunst freie Hand zu lassen. Bei der kulinarischen Wanderung von Teller zu Teller, von Rote Bete über Gänseleber zum in Agnolotti (piemontesische Teigtäschchen) verpackten Villnösser Brillenschaf wird schnell klar: Brunners kreative Küche ist stark produktfokussiert. Aber es sind eben nicht nur regionale Zutaten und solche aus dem Alpenraum, die zum Einsatz kommen. Das hat folgende Gründe. Erstens: Die Anna Stuben haben zwei Arten von Stammgästen: die deutschsprachigen sehnen sich nach Meeresgetier, kaum dass sie die Alpen überquert haben; die Italiener sind wild auf Wild und alpine Genüsse, die sie zuhause nicht haben. Zweitens: Brunner hat „carte blanche“ von der Eigentümer-Familie und darf auch mal hochpreisiger einkaufen. Er sagt: „Ohne Zweifel haben wir in Südtirol erstklassige Produkte, auch vergessene, die es lohnen, wiederentdeckt zu werden. Aber im Winter ist der lokale Fokus schwierig durchzuhalten. Ich mag nicht nur fermentieren und einkochen. Außerdem sind auch für mich Hummer und Foie Gras Höhepunkte eines Menüs. Nicht jeder möchte oder kann mal schnell ins Piemont reisen, um Trüffel zu essen.“


Dieser Philosophie der Regionalität mit Abstrichen fühlt sich auch Perathoner verpflichtet: Nicht jeder soll alles anbieten, sondern nur das, was er richtig gut kann. Zum Iberico-Schwein schenkt er deshalb den dazu perfekt passenden Orange-Kerner „Without“ des Weingutes Niklas in Kaltern ein, zum „Dry Aged“ Entrecôte vom heimischen Rind einen 2015er Lagrein „Tor di Lupo“ von der Kellerei Andrian, versehen mit dem Kommentar, die meisten Lagrein-Flaschen würden zu früh geöffnet. Für das Hauptdessert, „Karuna“-Schokolade mit Kakao eines lokalen Rösters aus dem Eisacktal, blickt der Sommelier jedoch über die Provinzgrenzen hinaus und kredenzt einen Vino Santo Salvetta 2015 aus dem Trentino, weil ihm die heimischen Süßweine mitunter zu schwer und plump sind. Was für ein fulminanter Abschluss für ein grandioses Menü und einen unterhaltsamen Abend! 

Suinsom

Hotel Tyrol, Wolkenstein | 90 Punkte und 3 Gabeln von Falstaff

„Der Gipfel ist der höchste Punkt, das Ziel auf einem oft hindernisreichen Weg, das jedoch, einmal erreicht, jede Entbehrung wettmacht“, finden Bibiana und Maurizio Dirler, die das Traditionshaus und Vier-Sterne-Superior-Hotel Tyrol in Wolkenstein mit viel Herzblut führen. Kein Wunder, dass sie ihr Gourmet-Restaurant „Suinsom“ getauft haben, was auf Ladinisch „Auf dem Gipfel“ bedeutet. Genau dort wollen sie hin. Sie haben deshalb kräftig investiert in den vergangenen Jahren. In das Hotel, das Restaurant. Inzwischen mischt auch Sohn Emanuele mit, der in Mailand Management mit der Fachrichtung Food & Beverage studiert. Gemeinsam bilden sie ein Team, eben eine Gipfel-Seilschaft, um noch weiter nach oben zu kommen. „Ja, wir wollen den Stern“, sagt Emanuele frei heraus. Mit „wir“ meint er die engagierte Sommelière Marika Rossi, den aus der Toskana stammenden Chefkoch Alessandro Martellini und dessen Freund und Mentor Antonio Guida. Ja, genau, der Guida: Chefkoch im „Seta“, dem Zwei-Sterne-Restaurant des Mailänder Mandarin Oriental.


Gemeinsam hat das Trio – pardon: die Seilschaft – zwei Menüs mit Weinbegleitung kreiert, die definitiv das Zeug zum Stern haben. Als Bühne dienen zwei Stuben aus dem 18. Jahrhundert. Die eine ist nach Norden ausgerichtet und war ursprünglich reich geschmückt, weil damals der von Gröden aus nördlich gelegene Brenner für Wohlstand stand. Die andere geht nach Süden und war spartanischer gehalten, weil sie ins arme, bäuerlich geprägte Grödnertal zeigte. Heute sind beide Stuben eine Augenweide, mit gediegenen Stoffen und altem Holz aus den heimischen Wäldern.


Schon bei den Amuse-Bouches merkt man, dass der junge Küchenchef Martellini mit Größen seines Faches wie Stefano Baiocco und Enrico Crippa zusammenarbeitete und auch in der Villa Feltrinelli schon die Küche rockte. Seine mit Foie Gras gefüllten und fruchtig-rot ummantelten Würfel bieten eine wahre Geschmacksexplosion am Gaumen, die der ausdrucksstarke, aber doch cremig-samtige Jahrgangs-Champagner des kleinen Erzeugers Pascal Doquet, den Rossi dazu entkorkt, noch akzentuiert. Überhaupt macht es Spaß, mit der eloquenten Sommelière fachzusimpeln. Man merkt, dass sie große Freude daran hat, nach noch unbekannten Winzern zu suchen, die vergessene Rebsorten wieder entdecken, die biodynamisch wirtschaften und sich nicht an den Mainstream halten. Was nicht heißt, dass sie nicht auch Klassiker wie einen Brunello Il Poggione einschenkt, wenn dessen rauchige Noten doch so vorzüglich zum Rind mit Löwenzahn, Kapernjus und geräuchertem Knochenmark passen.


Gekonnt spannen Rossi und Martellini den Bogen zwischen Innovation und Kreativität einerseits sowie den kulinarischen Traditionen eines durch die Bergwelt geprägten Dorfes andererseits: stets mit den besten, stets mit den frischesten Produkten, wie beim mit Taube gefüllten Raviolo del Plin, der in Haselnusswasser badet und von Kürbis flankiert wird – die einzelnen Zutaten gehen dabei eine geschmackliche Ehe im Himmel ein. Das gilt auch für die mit Rindstartar gefüllte Artischocke mit Bagna Cauda und Castelmagno, einer Art Fondue aus dem Piemont. Für ein Grande Finale sorgt das Lakritz-Halbgefrorene mit karamellisierten Tabakblättern und Kaffeesauce, das noch dadurch gewinnt, dass Marika Rossi dazu nicht etwa einen Süßwein, sondern einen leichten Cocktail namens „Mrs. Williams“ serviert, der für das Dessert ein perfektes Match ist.

Gourmet-Restaurant

Alpenroyal Grand Hotel, Wolkenstein | 1 Stern, 4 GM-Hauben und 17 Punkte

In seiner knappen Freizeit geht Maître und Sommelier Vittorio Spinelli gerne zum Klettern und nimmt sich dabei schon mal konditionell fordernde Mehrseillängen-Touren an den nahen Dolomitenwänden vor. Etwas Durchhaltevermögen und Zeit sollte man auch für einen Abend im Gourmet-Restaurant des Fünf-Sterne-Hauses Alpenroyal mitbringen, denn zu jedem Teller und Tropfen, den der aus Como stammende Spinelli kredenzt, weiß er eine spannende Geschichte zu erzählen. Doch der Reihe nach...


Chef am Herd ist der aus Apulien stammende Mario Porcelli, der hier 2016 zum ersten Mal einen Michelin-Stern erkochte. Weil auch er italienische und deutschsprachige Gäste gleichermaßen glücklich machen will, bietet er drei Menüs auf, was der Brigade natürlich einiges abfordert. „Erde“ ist ein Streifzug durch Italien ohne Meeresgetier, „Hommage an die Dolomiten“ zaubert Wagyu vom Ritten, Schlutzkrapfen, Hirsch und Ricotta-Knödel auf den Tisch. Am spannendsten ist aber der Sechs-Gänger mit dem etwas sperrigen Namen „Evolution der Tradition“: ein Mix aus Terra und Mare, aus Italien und der großen Welt, Freestyle sozusagen – auf jeden Fall aber eine Reise für die Sinne. Diese beginnt schon mit dem Brotkorb. In keinem Spitzenrestaurant, auch nicht in mit drei Sternen dekorierten Lokalen, haben wir jemals eine so große Auswahl vorgesetzt bekommen. Das sind kleine Kunstwerke aus Mehl, die man sich am liebsten einpacken lassen würde, weil man sie ohnehin nicht alle aufessen kann.


Zumindest wäre das ganz schön dumm, denn die Teller, die Spinelli im weiteren Verlauf des Abends aufträgt und mit mal eher unbekannten, mal prominenten Weinen aus Südtirol und anderen Regionen Italiens kombiniert, können fast durch die Bank überzeugen. Ein Highlight sind die mit Hirschragout gefüllten Gnocchi, die noch übertroffen werden von dem langsam geschmorten Ferkel mit wunderbar krosser Kruste aus den Monti Nebrodi Siziliens. Das Schwein, der leicht geräucherte Jamón Ibérico de Bellota (die beste Qualität!), Fenchel, Orange und Topinambur harmonieren einfach perfekt miteinander. Das trifft auch auf das Tartar vom wilden Seebarsch aus der Adria zu, das mit Apfel, Kaluga-Amur-Kaviar (Imperial-Auslese!), Zitronengras, Hibiskus und roten Früchten serviert wird. Weil aber die Fischeier sehr teuer (1 Gramm = 1 Euro) und deshalb nur wenige auf dem Teller zu finden sind, gehen sie leider etwas unter.


Dennoch macht Porcelli auch mit diesem Teller deutlich, dass für ihn nur beste Produkte in Frage kommen, egal woher sie stammen. Um wilden Skorpionfisch zu bekommen, probierte er zum Beispiel fünf Lieferanten aus. Übrig bleiben am Ende nur zwei, die seinem Anspruch genügen. Bei aller Ernsthaftigkeit sorgen jedoch der Chefkoch und sein Maître dafür, dass der Spaß nicht zu kurz kommt. „Das Dessert wird das Kind in Euch wecken“, verspricht Vittorio Spinelli. Und das tut es auch. Denn in der wunderbar leichten Nachspeise aus Joghurt, Melisse und Himbeeren verstecken sich Kakao-Crisps, die am Gaumen explodieren und an die Knallbrause erinnern, die man sich als Kurzer vom Handrücken geleckt hat. Die italienischen Gäste am Nachbartisch bringen es auf den Punkt: Fantastico!

Baita Sofie

Egal ob Winter oder Sommer: Wer seinen Bergtag auf Seceda verbringt, dem mit 2.500 Metern höchsten Aussichtspunkt rund um Gröden, muss einfach in der Sofie-Hütte bei Brigitte und Markus Prinoth einkehren. Der Name der Baita stammt von Markus‘ Mutter, die bereits 1959 hier oben anfing auf der Almhütte der Familie einfache Speisen und Getränke anzubieten. Die anderen zwölf Geschwister lachten sie aus, denn es gab noch nicht einmal eine Bergbahn. Sofie ließ sich jedoch nicht beirren. Und als 1961 tatsächlich die erste Gondel gebaut wurde, befand sie sich in der Pole Position.


Markus, selbst gelernter Koch, und sein Küchenchef Dario Oleari sorgen dafür, dass das so bleibt. „Auf die Karte kommt, was ich selbst gern esse, wenn ich den ganzen Tag Ski fahre“, sagt der Hüttenchef. „Da lasse ich mich von meinem guten Geschmack leiten.“ Soll heißen: Manchmal gelüstet es ihn nach einem deftigen Rindsgulasch mit Knödel. An anderen Tagen hat er aber Appetit auf Austern, Kaviar oder schottischen Räucherlachs. Dazu trinkt er dann gern ein Glas Champagner, was kein Problem ist, wenn man davon 50 verschiedene Etiketten und zehnmal so viele Weine auf der Karte hat, darunter Super Tuscans wie Sassicaia oder Ornellaia für knapp vierstellige Beträge. Er selbst liebt piemontesische Weine und hat deshalb nicht weniger als eineinhalb Dutzend Barolos auf der Karte.


Manchmal möchte man auf einer Hütte aber mit etwas Hochprozentigerem anstoßen. Auch dafür hat Markus die richtige „Medizin“, noch dazu eine hausgemachte. Und das kam so: Als passionierter Mountainbiker kurbelte er bei seinen Abendrunden an den vielen Wacholderbüschen vorbei, die typisch sind für die Seceda. Dabei stieg ihm das würzige Aroma der Beeren in die Nase und brachte ihn auf die Idee, gemeinsam mit der Brennerei Villa Laviosa in Terlan einen Gin zu destillieren, zu dessen weiteren Hauptzutaten Zirben- und Latschenkiefer-Knospen gehören, also die Aromen der Dolomiten. 15 Bergkräuter, die ausschließlich über 2.000 Metern wachsen, verfeinern das Rezept. Nach langem Tüfteln stellten die Brenner ihre Kreation der Öffentlichkeit vor und ernteten viel Lob für ihren „GIN 8025“, benannt nach der Höhenlage der Baita Sofie, in Fuß gemessen. Was soll man sagen? Er schmeckt ganz vorzüglich, pur oder mit Tonic. Und ist sogar für Diabetiker geeignet, weil er keinen Zucker enthält. Salute!

Rifugio Fienile Monte

Die Baita am Sellajoch, ein ehemaliger Heustadel, der an einen anderen Standort verpflanzt wurde, weil die Piste im Weg war, ist die kleinste Hütte Grödens – und gleichzeitig eine der exklusivsten. Feuerfackeln, flauschige Schaffelle auf den Lounge-Möbeln, chillige Musik, 400 Weinetiketten, Magnum-Flaschen und eine auf Schiefer geschriebene Speisekarte, die hausgemachte Tagliatelle mit frischen Alba-Trüffeln anpreist – es ist alles da, was Mann oder Frau von Welt zum Wohlfühlen braucht. „Am Anfang lief es schlecht“, gibt Eigentümer Alex Monteleone zu, dessen Eltern die nahegelegene, ebenfalls ziemlich mondäne Salei-Hütte führen, in der man auch übernachten kann. „Wir waren zu billig. Niemand bestellte Wein für 25 Euro die Flasche.“ Erst als er sich traute, dicker aufzutragen, brummte der Laden. Dick im wörtlichen Sinn: die Fiorentina, die er servieren lässt, macht ein ganzes Fußball-Team satt.


Solche Spezialitäten locken natürlich ein entsprechendes Publikum an. Ein einheimischer Ski-Guide erzählte mir diese Geschichte: Er hatte ein Paar aus Moskau zu betreuen. Im Sessellift zeigte der Mann nach unten, auf die Spuren im Schnee: „Was ist das?“, wollte er wissen. „Das war ein Fuchs“, antwortete der Skilehrer. „Und das hier?“ – „Hase, Schneehase“, erwiderte der Grödner, der nur Bahnhof verstand. Dann machten sie Mittagspause im Rifugio Fienile Monte. Der Gast bestellte dreimal Chateaubriand – jedes Fleischstück kostete einen ordentlichen dreistelligen Euro-Betrag und war ein knappes Kilo schwer. „Wer soll das essen?“, dachte sich der Skiführer. Als alle pappsatt waren, verlangte der Russe nach einer Plastiktüte, die er mit den übrig gebliebenen Fleischstücken und auch mit den Resten des Brotkorbes füllte. Dem Guide wurde der Kerl immer suspekter. Ihm ging erst ein Licht auf, als der Moskauer die Tüte im Sessellift öffnete und zuerst das Brot in den Schnee fallen ließ. „Für Hase“, erklärte der Mann. Dann kam das Fleisch an die Reihe: „Für Fuchs.“


Alex Monteleone schmunzelt, wenn man ihn auf solche Gäste und Geschichten anspricht. Zartestes Chateaubriand für die Tiere des Waldes! Für einen Preis, zu dem andere einen ganzen Skiurlaub buchen! Aber wie gesagt: Es sind nicht nur solvente Urlauber, die es sich hier schmecken lassen. Auch die Einheimischen schätzen das gute und genussvolle Leben. Legendär sind die freitäglichen Hüttenabende mit Aperitivo und ausgedehntem Abendessen, wobei die Anreise mit der Pistenraupe erfolgt. Eingedeckt wird unten im Weinkeller, der Bartresen ächzt unter einer Armada von Antipasti-Platten mit frittiertem Zonin-Käse, Garnelen und Carpaccio. Dabei ist das nur das Entrée für ein Sechs-Gänge-Menü mit viel Lokalkolorit: von Polenta-Suppe bis zu Lammkarree in Lagrein-Sauce. Kleiner Tipp, wenn man dabei nicht sofort als Tourist entlarvt werden will: Knödel nie mit dem Messer zerschneiden!

Rifugio Emilio Comici

Das 1955 von Familie Marzola eröffnete Schutzhaus unterhalb des Langkofels wurde zwar nach dem Alpinisten-Urgestein Emilio Comici benannt. Doch eine Herberge für verschwitze Bergsteiger ist die Hütte schon lange nicht mehr. Mit ihrer weißen Fassade und den blauen Fensterläden erinnert sie eher an ein traditionelles italienisches Fischlokal – und das ist sie im Grunde auch. Statt Schlutzkrapfen und Knödel kommen hier Meeresfrüchte und Fisch aus der Adria auf den Tisch: Vorspeisen-Platten und Sashimi, gratinierte Jakobsmuscheln und Cozze, Scampi und Pasta mit Hummer, Austern und ganze Fische. Oberstes Gebot dabei: Alles muss frisch sein. Möglich machen das die hauseigene Fischzucht in Grado und der Markt in Chioggia. Von dort kommt die Ware in Windeseile in die Dolomiten und sofort auf den Tisch.


Die Gäste wissen das zu schätzen. Wer zur mittäglichen Stoßzeit einen der 120 Plätze ergattern möchte, sollte besser frühzeitig reservieren. Wenn man es dann in die gute Stube geschafft hat, sitzt man nicht etwa unter Fischernetzen, sondern blickt auf Holzskier und mit Porträts von Ski-Champions tapezierte Wände. Auch allerlei Fotos von Prominenten, die schon zu Besuch waren, finden sich hier: Ski-Legenden wie Ingemar Stenmark, Formel-1-Piloten wie Fernando Alonso und Adelige wie Albert von Monaco.


„Fisch ist und bleibt der Fokus“, verspricht Florian Kaser, der als Geschäftsführer nun schon seit elf Jahren die Hütte für die Marzola-Brüder managt. „Aber wir passen uns natürlich aktuellen Trends an, haben mehr rohen Fisch auf der Karte als früher. Zudem wollen wir noch feiner und kleiner werden. Qualität statt Quantität ist das Gebot der Stunde, seit der Pandemie noch mehr. Jede Gruppe bekommt ihren eigenen Tisch, Selbstbedienung auf der Terrasse gibt es gar nicht mehr.“


Auf jeden Fall weiterhin geben wird es die legendären „special nights“. Die Themen der Serate reichen von „Caviar & Champagne“ über „James Bond“ und „Ski World Cup“ bis zu „Lobster“ und „Pesce d’Aprile“. Bei diesem letzten Themenabend der Saison wartet auf die Gäste ein zehngängiges Menü, mit allem, was die Adria hergibt. Nach dem Digestif fahren diejenigen, die noch aufrecht stehen können, im Schein der Pistenraupen auf Skiern nach Wolkenstein ab. Wenn dabei noch der Vollmond den Langkofel anstrahlt, ist das ganz einfach magisch und unvergesslich.


Autor: Günter Kast

Allgemeine Auskünfte

www.valgardena.it, TEL: +39 0471 777777


Folgende Kulinarik-Aktivitäten lassen sich über den Tourismusverband buchen:

  • Ladinische Speisen kennenlernen, zubereiten und verkosten
  • Süße Köstlichkeiten mit Elisa in ihrer Backstube
  • Butterherstellung wie zu Großmutters Zeiten
  • Wine Academy und Verkostung in der Vinothek La Cercia (www.cercia.it)
  • Winterwanderung mit Käseverkostung in der Käserei Valin (www.valin.it)

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