Ein starkes Stück Südtirol
Im noch nicht von Touristen überrannten Sarntal werden die Traditionen hoch gehalten. Das spiegelt sich auch in der Küche wider – bei den Spezialitätenwochen „Sarnar Kuchl“ genauso wie im Zwei-Sterne-Restaurant Terra der Geschwister Schneider.
Eine Hochzeit, ein Geburtstag ohne Striezl? Für einen echten Sarner ist das undenkbar. Das Hefegebäck, das in seiner Form einem Pantoffel ähnelt, darf nicht fehlen, wenn es etwas zu feiern gibt. Der Teig besteht aus Roggenmehl, Hefe, Milch, Wasser, Schnittlauch und Salz. Beim Vermischen müssen alle Zutaten warm sein. Der sogenannte Germ-Teig, ein Mundart-Wort für Hefeteig, ruht dann eine Dreiviertelstunde lang an einem warmen Ort, bevor er in Stücke geschnitten und zu Fladenbroten geformt wird. Vor dem Backen werden die Laibe in der Mitte eingeritzt und mit dem Schlitz nach oben ins heiße Fett gegeben. Schließlich wird der Sarner Striezl noch eine Minute im Ofen gebacken, wobei der Schnitt obenauf ist, sodass das Gebäck aufbricht: Dort kommt die Füllung aus bestem Sarner Speck hinein.

Interessant ist, dass andere Südtiroler diese Spezialität nicht oder nur vom Hörensagen kennen. Das liegt vermutlich daran, dass das Sarntal – obschon flächenmäßig die größte Gemeinde der Provinz – von der nahen Hauptstadt Bozen durch eine durch enge Schluchten führende Tunnelstrecke getrennt ist, und im Norden das Penser Joch das halbe Jahr über Wintersperre hat und die Straße hinüber nach Sterzing gesperrt ist. Kein Wunder also, dass über die vermeintlich hinterwäldlerischen Sarner manchmal gewitzelt wird nach der Art: „Geat a Sarnar in dr Stodt ...“. Die Sarner selbst nehmen es sportlich. Denn sie wissen ja, dass sie im feinsten Tal der Provinz leben – und zwar im Wortsinn. Tatsächlich ist das Sarntal ein guter Ort für Feinschmecker. Am besten, man besucht am Samstag den Bauernmarkt am Kirchplatz in Sarnthein. Neben Striezl kann man dort ofenfrische Krapfen (mit Mohnfüllung ein besonderer Genuss!) probieren. Speck kauft man vom Unterkranzerhof in Außerpens, wo Familie Kral in ihrer Manufaktur auf artgerechte Tierhaltung setzt und in der Reifekammer mit die besten Schinken der Welt hängen: kernig beim ersten Bissen, dann auf der Zunge schmelzend, buttrig und cremig.
Wer Spezialitäten-Gerichte verkosten möchte, reist am besten zum „Sarnar Morgreti Essn“ ins Tal, das 2025 vom 4. bis zum 13. Juli stattfindet. „Morgreti“ ist Sarner Dialekt und bezieht sich auf den Margarethentag aus dem Bauernkalender. Bei den teilnehmenden Betrieben gibt es dann Gerstsuppe, Saure Suppe (aus Kutteln), Schöpsenes (Schaffleisch), Speckknödel, Gröstl und Pfannkuchen aus Schwarzplent (Buchweizen). Wer Glück hat, bekommt auf die Gerstsuppe sogar einen Klecks Latschen-Pesto. Die Sarner Latsche ist nämlich ein Markenzeichen des Tals, das in den vergangenen Jahren immer stärker in die lokale Kulinarik eingebunden wurde.

Allgemeine Auskünfte
Südtirol: www.suedtirol.info
Sarntal: www.sarntal.com
Hotels, Restaurants und Berggasthöfe
Produzenten
Gartenbachhof:
Tel.: +39 349 507 4157
gartenbachhof@gmail.com
Hofmanufaktur Kral beim Unterkranzerhof
Eine weitere Gelegenheit, nach Herzenslust echte Sarner Bauernkost zu genießen, bietet sich vom 25. Oktober bis 10. November 2025, wenn die Spezialitätenwochen „Sarnar Kuchl“ steigen, zu denen Sylvia und Günther Kröss einladen, die Hoteliers der „Sonne“ aus Astfeld. Dann verlegt deren Koch Walter Mayrhofer, der dem Haus seit 33 (!) Jahren die Treue hält, seine Wirkungsstätte in das Rohrerhaus, eine Art Bauernhofmuseum in Sarnthein, das man auch für Events mieten kann. Im mit Holz befeuerten Herd dieses Hauses zaubert Walter dann Menüs auf die Teller, für die alteingesessene Sarner töten würden: Kalbskopf-Carpaccio mit marinierten Sarner Nocken und roten Zwiebeln, Milzschnitten-Suppe, Schüttelbrotfleckerl mit Kräutern und Hirschragout, Buchweizenknödel auf frischen Krautrüben, Schupfnudeln mit heimischen Kräuterseitlingen vom Pernholzhof und Käse, geschmorte Ochsenwange, zum Nachtisch dann Kastanienkrapfen oder Buchteln mit Aprikosenmarmelade. Da läuft einem schon beim Lesen der Karte das Wasser im Munde zusammen.
„Einige Gerichte wie Saure Suppe sind gesetzt und bleiben, andere werden getauscht“, erklärt Günther Kröss das Konzept. Früher führte der Gasthof Bad Rungg in Sarnthein Regie bei der „Sarnar Kuchl“. Als dieser zusperrte, drohte das Aus. Weil andere Lokale nicht so richtig mitzogen, managt Günther den Event in Eigenregie, jetzt bereits im vierten Jahr.
Bilder: © so.you
Gut essen kann man in seiner „Sonne“ natürlich das ganze Jahr. Jedes Frühjahr gibt es Themen-Wochen, die auch mal ein ungewöhnliches Motto wie „Hamburger & Dosenbier“ haben. „Giamor in die Sunn?“ ist deshalb bei den Einheimischen eine – natürlich rhetorisch gemeinte – Frage, die häufig gestellt wird. Aufgetischt werden dann zum Beispiel hausgemachte Schlutzkrapfen mit brauner Butter oder Graukäse mit roten Zwiebeln, Fichtenhonig und Bauernbrot. Als Hauptgang kommen Rindsgulasch vom Solminhof mit Speckknödel oder ein zart-rosa auf den Punkt gebratener Rostbraten auf den Tisch, gefolgt von Grießnudeln mit Mohn und Honig, die ein Germ-Küchl mit eingemachten Preiselbeeren umrahmen.
Günthers aktueller Traum ist es, „Mitnondur“ zum Laufen zu bringen, bei dem rund ein Dutzend Gastbetriebe das Sarntal zum größten Restaurant der Alpen machen und ihre Kunden mit Leckereien aus typischen Sarner Produkten verwöhnen. Die Pläne dafür sind in der Schublade. Jetzt müssen die kulinarischen PS nur noch auf die Straße gebracht werden.

Einer, der mit seinen Erzeugnissen sicher mit von der Partie wäre, ist Daniel Thurner. Der 23-Jährige wuchs auf dem Gartenbachhof auf, der auf 1.360 Metern über dem Tal thront und nur auf einem schmalen Sträßchen zu erreichen ist. Daniels Eltern halten hier Milchvieh, doch die Kühe müssen im Sommer im Stall bleiben, weil die Wiesen und Weiden einfach zu steil sind. Nur die Kälber dürfen auf die Alm. Daniel überlegte deshalb, ob Schafe nicht eine Alternative sein könnten. Er wollte aber der Milchwirtschaft treu bleiben, nicht Schafe primär zum Schlachten aufziehen. Allein: Es gab in ganz Südtirol kaum jemanden, den er nach seinen Erfahrungen fragen konnte.
Heute ist Daniel der einzige Milchschaf-Bauer im Sarntal und einer von wenigen in der gesamten Provinz. Er zieht sein Ding durch. So richtig Gas geben konnte er, nachdem er einen Business-Plan-Wettbewerb des Bauernverbands gewonnen hatte und dafür eine Crowd-Funding-Kampagne aufsetzen durfte. Mit dem eingenommenen Geld baute er den Stall um und wurde so zum Nischen-Jungbauer. Aktuell weiden 35 Lacaune-Schafe und Ostfriesische Milchschafe rund um den Hof. „Rentabel wird es ab 50 Tieren, mein Ziel sind 100“, erklärt er. Vor drei Jahren fing er mit nur einer Handvoll Tieren an, seit Januar 2025 ist er der Chef hier oben. Aus den 300 bis 400 Litern Milch, die jedes Tier (abzüglich der Milch für das Säugen der Lämmer) pro Jahr gibt, macht er Joghurt, von Natur über Vanille bis Himbeere, Frischkäse, Streichkäse Natur oder mit Schnittlauch sowie Schnittkäse, den er acht Wochen reifen lässt.

Wer Daniels Produkte kostet, ist überrascht, wie wenig sie nach Schaf schmecken. „Ich füttere primär Heu und frisches Gras, achte auf eine strikte Euterhygiene und eine rasche Verarbeitung der Frischmilch. So gelingt es mir, sehr milde Produkte herzustellen“, erklärt der Jungunternehmer. „Kraftfutter gibt es nur zur Belohnung während des Melkens. Die Schafe sind optimal an die schwierigen Bedingungen angepasst. Die steilen Hänge machen ihnen nichts aus und so können sie fast das ganze Jahr auf der Weide grasen.“
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