Wilde Wellness
Die Kraft der Alpen spüren
Heiß, duftend, tief verwurzelt: Von der energiesparenden Brotsauna bis zum würzigen Latschenkieferbad – so geht Wellness in den Alpen. Wir machen uns auf die Suche nach vergessenen Ritualen, alten Traditionen in entlegenen Tälern und modernen Naturtherapien. Wer denkt, Alpenwellness sei nur Sauna mit Bergblick, wird hier neu aufatmen.
Regentropfen durchschneiden die Luft, Donner grollt über den unendlichen Weiten des Bergpanoramas, und Nebelschwaden wabern aus den dichten Wäldern – wer einmal ein Sommergewitter in den Bergen erlebt hat, weiß, dass es sich oft ebenso schnell verzieht, wie es gekommen ist. Ähnlich verhält es sich mit dem Alltagsstress, der sich bei einem Aufenthalt in der Natur rasch in Luft auflöst. Die positive Wirkung von Bergen, Wäldern und Wiesen ist dabei keine neue Erkenntnis – sie wird seit Jahrtausenden überliefert, vom japanischen Shinrin-Yoku (Waldbaden) bis hin zum Räuchern mit Kräutern und Harzen. Doch manchmal verblassen diese kleinen Wunder hinter den Innovationen der modernen Welt. Ein Grund mehr also, ganz besondere Naturwellness-Orte zu besuchen und ihre Heilkräfte wiederzuentdecken.

Ein Bad in Latschenkiefern im Sarntal
Im Sarntal, hoch oben zwischen 1.800 und 2.400 Metern, wo Brauchtum und Tradition quicklebendig sind und der hiesige Dialekt nicht einmal von eingefleischten Südtirolern verstanden wird, wächst sie: die Sarner Latsche. Diese besondere Form der Latschenkiefer ist tief verwurzelt im Leben und Brauchtum der Talbewohner. Früher, als der Alltag noch härter, die Arbeit körperlicher war, schätzten die Bauern nach einem Tag auf dem Feld nicht nur die Wirkung des ein oder anderen Latschenschnapses – sie legten sich außerdem in die dampfenden Reste der Destillation. Der Duft sowie die ätherischen Öle waren wohltuend, klärend und löste Verspannungen. Heute ist aus dem einstigen Bauernheilmittel ein geschätztes Naturheilprodukt geworden. Mit viel Fingerspitzengefühl wird das ätherische Öl der Sarner Latsche zum Beispiel bei Eschgfeller gewonnen, einer Brennerei, die die alte Technik der Wasserdampfdestillation weiterleben lässt. Dieser Prozess, der seit über 100 Jahren unverändert bleibt, nutzt die Kraft des heißen Dampfes, um das Öl aus dem gehäckselten Latschenmaterial zu lösen. Das Ergebnis ist ein naturreines, ätherisches Öl in Bio-Qualität, das nicht nur in der Hausapotheke des Sarntals einen festen Platz hat, sondern auch in der Pharmazie und Kosmetik geschätzt wird. Dabei entstehen aus 250 Kilogramm geschnittenem Nadeln, Zapfen und Zweigen gerade einmal ein Liter reines Öl. In unterschiedlichsten Formen, von Süßigkeiten bis hin zum puren Öl kann diese Essenz der Berge hier erworben werden. Oder aber man nutzt das moderne Spa nebenan und genießt so ein traditionelles „Reischnbad“, das die noch warmen Latschenreste nutzt, wie früher eben. Der Dampf streichelt Haut und Atemwege, löst Verspannungen, klärt den Kopf. Hier wird Wellness zur Rückkehr zu den Wurzeln – im wahrsten Sinne des Wortes.
Ursprünglich saunieren im Lesachtal
Fernab von Lärm, Asphalt und Eile, im offiziell naturbelassenstem Tal Europas, scheint die Zeit anders zu vergehen. Vielleicht liegt es an der klaren Luft hier im Kärntner Lesachtal, vielleicht an der mächtigen Präsenz der Berge, die ringsum wie stille Wächter aufragen. Hier, wo alte Bauernhäuser und steinerne Kapellen Geschichten aus Jahrhunderten erzählen, sprudelt die Tuffbadquelle. Schon im 18. Jh. wurden die Patres des Servitenordens Maria-Luggau bei der Heilkräutersuche auf die Wirkung dieses Wassers aufmerksam. Mittlerweile wurde die Calcium Magnesium-Sulfat-Hydrogencarbonat-Quelle offiziell zum Heilvorkommen erklärt. Außerdem speist sie das familiengeführte Naturwellness-Refugium Tuffbad, das moderner nicht sein könnte. Im Spabereich allerdings nutzt man hier immer noch die Tricks vergangener Generationen. Im Steinbad beispielsweise zischt das heiße Wasser auf glühenden Fels, Dampfschwaden steigen empor, angereichert mit wertvollen Mineralien. Im Brechelbad, einem alten Bauernritual, steigen Kräuterdüfte aus einem kleinen Ofen auf – Tannenzweige am Boden stimulieren die Fußreflexzonen. Noch uriger geht es im Brotbad zu: Bei rund 35°C relaxt man hier in der Wärme eines alten Steinofens. Früher nutzte man so sinnvoll die Restwärme des Backofens und glaubte, damit nicht nur Rheuma, sondern auch schlechte Gedanken und Sünden ausschwitzen zu können. Heute weiß man: Die Enzyme des Sauerteigs in der Luft wirken wohltuend auf Verdauung und Immunsystem. Im Lesachtal wird Saunieren zur Zeitreise – zurück zu einer Einfachheit, die wir längst vermisst haben.
Heilstollen und Thermalwasser: Die Kur 2.0
Das Gasteinertal war schon immer ein Ort der versteckten Schätze. Im Inneren des Radhausberges zum Beispiel, tief unter dem Fels, verbirgt sich eine Entdeckung, die zunächst dem Zufall entsprang: der Gasteiner Heilstollen. Entstanden in den 1940er Jahren bei der Suche nach Gold, offenbarte sich hier ein ganz anderer Wert: Durch das aus dem radonhaltigen Wasserdampf entstehende Heilklima blieben die Bergarbeiter von den üblichen Erkältungserkrankungen weitgehend verschont. Heute weiß man, durch unzählige wissenschaftlichen Studien belegt, um die einzigartige Wirkung auf die Gesundheit. Durch eine Bergbahn ist der Weg 2,5 Kilometer tief ins Gestein nicht mehr so beschwerlich, aber immer noch ein kleines Abenteuer. Die Kombination aus Radonstrahlung, hoher Luftfeuchtigkeit und Temperaturen bis zu 41,5°C regt körpereigene Reparaturprozesse an, lindert chronische Schmerzen und stärkt das Immunsystem. Wer die Enge des Stollens scheut, findet aber auch in modernen Hotels wie dem Sendlhofer’s eine zeitgemäße Antwort auf die alte Kur-Tradition. Dort sprudelt das Gasteiner Thermalwasser nicht nur in Pools, sondern auch aus Trinkbrunnen. Angereichert mit Kieselsäure, Kalzium und einer milden Radonstrahlung ist es das, was die Gastgeber liebevoll „Jungbrunnen“ nennen. Bezüglich Verstrahlung muss sich hier aber niemand Sorgen machen: Das Wasser weißt lediglich geringe Mengen davon auf und kurbelt die Ausschüttung spezieller Botenstoffe an, die Entzündungen reduzieren und den Stoffwechsel anregen. Kombiniert mit hippen Design, kreativer Kulinarik und digitaler Entschleunigung, erlebt die Kur hier ihre Renaissance – erdverbunden, nachhaltig und überraschend lässig.
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