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"Wir sind größer und stärker als jemals zuvor!"

Wer durchs Ötztal reist, der kommt um den Namen Scheiber nicht herum. Vor allem im hinteren Teil, dem Gurglertal, das viele tausend Jahre als Sackgasse galt, war und ist die Familie Scheiber tätig. Heute floriert der Tourismus – und das Ötztal ist keine Sackgasse mehr. Hotelier, Skigebietsbetreiber, Museumsdirektor und Touristiker Alban Scheiber weiß, warum das so ist.

Guten Morgen Herr Scheiber. Hier im Gurglertal hat ihre Familie echte Pionierarbeit geleistet. Wann war das und wie genau lief das ab?


Das war Ende des 19. Jahrhunderts. Zu dieser Zeit wurden die ersten Alpenvereine gegründet und mein Urgroßvater Martinus Scheiber war gemeinsam mit dem Mitbegründer des DAV Franz Senn, der auch Priester und Alpinist war, aktiv. Die beiden beschlossen schon früh, dass Schutzhütten gebaut werden sollten, da sie im Tourismus ein großes Potential für das Tal sahen. Dabei ging es übrigens noch ausschließlich um den Sommertourismus.


Das bedeutet, dass es vor ihrem Urgroßvater kaum einen berginteressierten Touristen in der Region gab? 


Ja. Es gab hier damals noch gar nichts. Keine Hütten. Keine Hotels. Auch die Timmelsjochstraße gab es noch nicht. Das änderte sich aber mit der Zeit, als die Talbewohner merkten, dass die Gäste, die in immer größerer Zahl zu uns kamen, gerne auch im Tal etwas zum Essen, zum Trinken und auch dort Schlafen wollten. So entstand zum Beispiel das Hotel Edelweiss in Obergurgl, das heute von Tanja und Lukas Scheiber in der vierten Generation betrieben wird. 


Sie haben bereits die Timmelsjochstraße angesprochen. Sie verbindet das Ötztal über das 2474 hohe Timmelsjoch mit dem südtiroler Passeiertal.


Richtig, weil mein Großvater Angelus dieses Projekt antrieb. Davor aber musste er sich noch um eine andere Straße kümmern: Damals führte die Straße vom Inntal ins Ötztal nämlich lediglich bis nach Sölden. Da war Schluss. Der Straßenausbau bis nach Hochgurgl war aber Voraussetzung für eine weitere touristische Erschließung, denn bis zu jener Zeit war das hintere Gurgtal üblicherweise nur mit dem Pferd erreichbar. Erst viel, viel später, aber auch wieder auf Initiative von Angelus, wurde die Timmelsjochstraße gebaut. Das war Ende der 50er Jahre. Er hatte gute Beziehungen zur Landesregierung und konnte so das nötige Geld auftreiben. 

Heute ist die Straße nicht nur eine wichtige Sommerverbindung zwischen Österreich und Südtirol, sondern auch ein beliebtes Ausflugsziel. Was aber waren die damaligen Beweggründe für so ein gigantisches Bauvorhaben?


Schon im Krieg war auf der italienischen Seite eine Militärstraße angelegt worden, vor deren Vollendung aber der Krieg schon wieder zu Ende war. Dabei gab es schon zuvor sehr gute Beziehungen nach Italien, die vor allem geschäftlichen Hintergrund hatten. Das Timmelsjoch wurde immer schon gerne von Schmugglern als einfachster Übergang genutzt. Da von österreichsicher Seite ja damals schon die Straße bis hinauf nach Hochgurgl bestand, war eine Verknüpfung naheliegend. Ab dem Sommer 1968 war das Ötztal endlich keine Sackgasse mehr und man konnte das erste Mal nach Südtirol fahren. Allerdings nur für einige Tage – dann kam schon der erste Schnee.


Heute sind Sie mit ihrem Zwillingsbruder Atilla in die Fußstapfen ihrer Vorfahren getreten.


Das kann man so sagen, ja. Die Timmelsjochstraße war lange Zeit in öffentlicher Hand. Wir konnten aber später die Hauptanteile erwerben und endlich auch wieder in ihren Erhalt investieren. Die Straße war damals nämlich in desolatem Zustand. Wir haben Brücken saniert und asphaltiert. Und irgendwann kam der Gedanke, dass man ja nicht einfach eine Straße bauen kann, ohne deren Geschichte zu erzählen. So kamen wir zum Konzept der Erlebnisstraße, das sehr gut angenommen wird.


2015 wurde sogar oben am Pass ein Museum eröffnet.


Ja, dabei ist es viel mehr als nur ein Museum. Das TOP Mountain Crosspoint besteht eigentlich aus vier einzelnen Bereichen: Es enthält eine Mautstation, ein Restaurant, das Museum und ist Teil einer Liftstation. Da mein Bruder und ich schon immer große Motorradfreunde waren und die Straße natürlich auch gerne von Bikern genutzt wird, war schnell klar, dass wir dort oben ein Motorradmuseum eröffnen wollten. 2016 war es schließlich so weit. Anfang 2021 aber wurden durch einen Brand großen Teile des Museums zerstört. Wir konnten jedoch bereits im selben Jahr wiedereröffnen – mit einer um 4500m² erweiterten Präsentationsfläche und jeder Menge neuer Attraktionen. Wir sind also größer und stärker als jemals zuvor!


Mittlerweile sind die Alpen gut erschlossen – für manche vielleicht sogar schon zu gut. Wie werden Scheibers zukünftig im Ötztal aktiv sein? Ist die Zeit der großen Bauwerke und Erschließungen nicht schon vorbei?


Nun, abgesehen vom Crosspoint haben wir in den letzten Jahrzehnten keine größeren Bauwerke errichtet – und selbst dort oben war schon eine Mautstelle, ein Lift und eine Würstchenbude. Wir konzentrieren uns also schon lange mehr auf den Erhalt und die Instandsetzung, als um eine echte Neuerschließung.


Grundsätzlich haben Sie aber recht. Es wird in Österreich zunehmend schwieriger neue Projekte zu realisieren. Man muss aber auch bedenken – auch wenn wir keine weiteren Großprojekte in Planung haben: Wenn man gar nichts mehr bauen darf, wäre das ein Stillstand. Und ein Stillstand ist gleichzeitig auch immer ein Rückschritt. Denn unterm Strich wollen alle ein modernes Skigebiet, eine moderne Hütte und eine moderne Straße.


Das klingt so, als hätten sie den umstrittenen Zusammenschluss der Ötztaler und Pitztaler Skigebiete begrüßt?


Man muss am Puls der Zeit bleiben, denn unsere Konkurrenz schläft nicht. Das gilt nicht nur für Österreich oder die Alpen, sondern für die ganze Welt – bis nach Amerika. Durchaus hätte ich also den Zusammenschluss begrüßt, der vor allem für unsere Nachbarn im Pitztal einen großen Fortschritt gebracht hätte. Stillstand ist aber wie gesagt Rückschritt. Gemeinsam mit meinem Bruder betreibe ich das Skigebiet Hochgurgl, welches mit dem Skigebiet Sölden übrigens nicht direkt verbunden ist und über einem Zusammenschluss mit dem Pitztal mit diesem auch nicht direkt verbunden gewesen wäre. 


Bedeutet das, dass Sie gerne weitere Großprojekte realisieren würden – es aber nicht tun, weil Sie nicht dürfen?


Nein. Größere Bauwerke, neue Lifte und Restaurants sind nicht in Planung, nicht nur, weil wir dafür höchstwahrscheinlich gar keine Genehmigung mehr bekommen würden. Wir selbst wollen ja auch nicht die Berge zubauen und lieben unsere wertvolle Natur. Sie ist unsere wichtigste Ressource. So kümmern wir uns in Zukunft aus Überzeugung hauptsächlich um die Modernisierung und Erhaltung. Sicherlich muss hin und wieder mal ein Lift ersetzt, oder die Schneeanlage erneuert werden. Aber ich finde, dass das auch weiterhin möglich sein muss. Denn hier im Tal kann man nur vom Tourismus leben. Man muss wissen, dass es im Ötztal mittlerweile keine einzige andere Möglichkeit mehr gibt, wirtschaftlich zu überleben. Mein Urgroßvater erkannte das schon vor mehr als 150 Jahren.


Vielen Dank für das Interview und auch weiterhin viel Erfolg.


Fotos

© Ötztal Tourismus (Roman Huber, Dagmar Gehm, Johannes Brunner)

© Bergbahnen Obergurgl-Hochgurgl

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