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Der König am Tisch

Benjamin Profanter backt Brot. Das klingt nicht
sonderlich erwähnenswert – ist es aber doch.

Die südtiroler Berge sind in der Region noch verhältnismäßig sanft, bis zur halben Höhe bewaldet, mit darüberliegenden Wiesen, die zu dieser Jahreszeit noch unter einer gleißend hellen Schneedecke begraben liegen. Es ist ein typischer Frühlingstag in Brixen. Unten am Stadtrand ist schon T-Shirt-Wetter und noch bevor Benjamin Profanter uns empfängt, vernehmen wir einen aromatischen Duft. Erst dann schütteln wir die kräftige Hand des Bäckers, der stilecht mit weißer Haube vor seiner Bäckerei steht und ohne Umschweife zum Thema kommt.


Noch liegt das kleine Versuchsfeld am Brixener Stadtrand brach. Bald schon aber werden hier wieder Anbauversuche stattfinden, welche der Ideen-Bäcker gemeinsam mit der Landesversuchsanstalt durchführt. Neben Getreide, wird hier dann natürlich auch etwas Gemüse wachsen. Salate, Tomaten und Co. Eben das was man gerne mal aufs Brot legt und das, was Profanters selbst verbrauchen. Dahinter blüht, alle Jahre wieder, eine Bienen- und Insektenweide. Den Bäckereibetrieb selbst führt Profanter nun schon in dritter Generation – viele Jahre, in denen sich viel verändert hat. Heute ist die Bäckerei biozertifiziert. Das sei zwar nichts Besonderes mehr, fügt Profanter hinzu, während er uns einen italienischen Kaffee reicht. Doch war Profanters Betrieb die erste Bäckerei Südtirols mit einem solchen Zertifikat. 


Das bedeutete auch, dass Benjamin Profanter zwei Mal backen lernen musste. „Heute verblöden ja die Bäcker und verlernen ihr schönes Handwerk!“ Profanters Meinung zu der mittlerweile oft üblichen Produktion ist also eindeutig – und sie ist meilenweit von dem entfernt, was man in der hiesigen Backstube unter Handwerk versteht. Wenig später dürfen wir uns selbst ein Bild machen. Die Naturbackstube Profanter ist aktuell Südtirols einziger Bioland-Bäcker. Und da für gutes Vollkornmehl schließlich auch das ganze Korn verarbeitet wird, muss es naturbehandelt und von höchster Qualität sein. Nur so kann bekömmliches Brot produziert werden. Das ist zwar etwas teurer, aber der Ernährungstrend geht immer mehr in Profanters Richtung. „Die Menschen bezahlen für ein gutes Produkt gerne mehr. Früher fuhr manch einer ja sogar mit dem Porsche zu Aldi – das ändert sich gerade.“ Außerdem: Wer billig kauft, kauft zwei Mal! Das erste Mal in der heute üblichen Massenproduktions-Bäckerei, und das zweite Mal in der Apotheke. Denn unser Körper hat mit unsinnigen Zusatzstoffen, Gluten, Säureregulatoren und technischen Enzymen zu kämpfen. All das, damit das Brot noch schneller, noch günstiger hergestellt werden kann. Dabei zahlen wir dafür letztendlich dennoch einen sehr hohen Preis.

Dass es anders geht, zeigt uns Profanter in seinem Betrieb nur zu gerne selbst. Dabei ist sofort zu spüren, dass für den „Bionier“, wie er schon bezeichnet wurde, Mehl keineswegs nur weißes Pulver ist! Die Bäckerei verwendet ausschließlich Naturmehle und mahlt ihr Vollkornmehl sogar selbst. In den Silos lagert dann dieses weiße Gold, neben anderen Schätzen. Zum Beispiel neben Khorasan, dem teuersten Getreide der Welt. Der Bäckermeister kann ganze Geschichten über den Anbau und die Weiterverarbeitung dieses Korns erzählen, war selbst schon in Amerika, um mehr darüber zu lernen. Neben diesem Exot geht es aber in der Backstube größtenteils sehr bodenständig zu. Und natürlich hat auch hierzu der Bäcker aus Leidenschaft ein umfangreiches Wissen. Das ist übrigens auch der Grund, warum er nicht nur interessierten Journalisten wie uns, sondern auch Schulklassen gerne eine Führung durch seine Bäckerei gibt: Für Gutes braucht es meist nicht besonders viel. Hauptzutat aber ist immer die Zeit!


Schneller bedeutet eben auch billiger – zumindest gilt das für die allermeisten Teile unserer heutigen Wirtschaft. Wer sich dem widersetzt, muss kreativ werden. Und das ist die Familie Profanter. Benjamins Vater zum Beispiel hat das erste maschinell erstellte Schüttelbrot erfunden. Die leckeren kleinen Cracker kommen dem berühmten südtiroler Fladenbrot geschmacklich schon sehr nahe, auch wenn es mit dem Original nur wenig zu tun hat.


Warum das Schüttelbrot Schüttelbrot heißt, wollen wir da von Profanter wissen. Der weiß aber gleich, dass Erklärungsversuche hier nicht weit führen, und zeigt uns lieber, was Sache ist: Ein rundes Holzbrett, dick mit Mehl bestreut, auf das ein zähflüssiger, klebriger Teig gelegt wird. Jede nun folgende Berührung mit der Hand oder einem anderen Gegenstand, würde den Teigfladen zerdrücken und völlig unbrauchbar verkleben. Wie aber wird aus dem Teig dann ein nur wenige Millimeter dünnes Schüttelbrot?


Benjamin Profanter dreht geschickt das Holzbrett in seinen Händen. Zeitgleich zieht er es immer wieder nach unten weg und lässt die klebrige Masse auf der dann schräg gehaltenen Tafel wieder aufschlagen. Diesen Vorgang wiederholt er einige Male, bis innerhalb weniger Sekunden das Schüttelbrot ausgeschüttelt ist. Auch wir versuchen das, müssen aber nach wenigen Versuchen und einer Handvoll zerknäulter Teigfladen das Handtuch werfen. Was so leicht aussieht, ist echtes Handwerk und will gelernt sein!


Dann kommen die Brote in den Ofen. Das verströmt sofort einen köstlichen Duft, vor allem wegen dem Ziegenkraut, dem Fenchel und Kümmel, den Bergkräutern, die der Bäcker hier aus der Region bezieht. Die Kräuter wachsen zwischen 1400 und 1500 Metern, ungefähr da, wo momentan noch die Schneegrenze ist. Sicher wachsen die Pflanzen so weit oben langsamer und gedrungener, merkt er an. Doch das führt nur zu einem noch intensiveren Geschmack, weswegen Profanter froh ist, nicht nur regionale, sondern auch qualitativ hochwertige Zutaten direkt von hier beziehen zu können. So, wie man es schon vor hunderten von Jahren gemacht hat.


Während unseres Besuchs, während das Schüttelbrot im Natursteinofen backt, erzählt der Ideen-Bäcker viel aus der Geschichte Südtirols. Schließlich ist das Schüttebrot selbst fast schon ein Relikt längst vergangener Zeit, das in der rauen Bergwelt dank seiner Haltbarkeit schon früh eine wichtige Rolle spielte. Heute wächst zum Glück wieder das Traditionsbewusstsein und Bäckereien wir die Naturbackstube Profanter genießen ein großes Interesse. Kunden sind nicht nur Privatpersonen, sondern auch Hotels und Restaurants überall in Südtirol.


Benjamin Profanter arbeitet daran, dass das auch so bleibt. Denn wenn es nach ihm geht, sollte das Brot der klare König am Esstisch sein. Und da spricht auch gar nichts dagegen, wenn es so gesund, nachhaltig und geschmacklich intensiv gebacken wird, wie bei Profanters in Brixen.


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